Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
nervös. »Was, Richard?«
Er strich sich mit beiden Händen die Haare zurück, bis keine Strähne mehr übrig war. »Du triffst dich mit uns beiden und ich mich mit anderen Lykanthropen.« Ich starrte ihn weiter an. »Sag etwas«, verlangte er. Ich öffnete den Mund, schloss ihn, setzte neu an. »Du meinst, du schläfst weiter mit Lucy.«
»Nicht mit Lucy, sie ist ... Du hast sie gesehen. Sie könnte nie die Lupa meines Rudels sein.« »Also wirst du weitere Bewerberinnen vorsprechen lassen?« »Das weiß ich noch nicht. Aber eines weiß ich: Wenn du mit Jean-Claude schläfst, habe ich das Recht, mit anderen zu schlafen.«
Dagegen konnte ich eigentlich nichts sagen, aber ich wollte trotzdem gerne. »Du willst mich dazu bringen, Jean-Claude aufzugeben.« »Nein«, sagte er. »Aber wenn du nicht monogam bist, warum sollte ich es dann sein?«
»Da hast du vermutlich Recht. Aber ... ich dachte, wir lieben uns.«
»Tun wir. Ich tue es.« Er stand auf und hob seine Jeans vom Boden auf. »Aber du liebst mich nicht genug, um Jean-Claude aufzugeben. Warum sollte ich dich so sehr lieben, dass ich alle anderen aufgebe?«
Ich blickte ihn an und spürte die Tränen rollen. »Du Mistkerl.«
Er nickte. Er schlüpfte in seine Hose ohne Unterwäsche und zog vorsichtig den Reißverschluss zu. »Die wirkliche Scheiße ist die, dass ich dich genug liebe, um jede andere aufzugeben. Ich weiß nur nicht, ob ich dich wirklich mit Jean-Claude teilen kann. Ich weiß einfach nicht, ob ich den Gedanken ertrage, dass du in seinem Bett liegst. Die Vorstellung, dass du so mit ihm zusammen bist, treibt mich ...« Er schüttelte den Kopf. »Ich gehe jetzt duschen. Ich muss mich um die Trolle kümmern.«
Ich konnte nicht einmal anfangen, darüber nachzudenken, was er eben alles gesagt hatte. Es war einfach zu viel auf einmal. Bei Verwirrung immer aufs Geschäftliche konzentrieren.
»Ich muss mitkommen und mit den Biologen sprechen. Wir müssen herausfinden, ob Frank Niley der Käufer des Grundstücks ist. Der Kerl, der heute Nacht den Arm verloren hat, hatte Angst vor ihm. Niley muss schon ziemlich einschüchternd sein, wenn jemand umringt von Werwölfen noch zögert, ihn zu verraten. Die normalen Maklertypen haben kaum so eine Wirkung.«
Richard kam zum Bett zurück. Er hob mich an der Taille hoch und küsste mich. Er drückte mich an sich, als wollte er in mich hineinkriechen. Als er mich wieder absetzte, war ich außer Atem.
»Ich will dich anfassen, Anita. Ich will deine Hand halten und albern vor mich hin lächeln. Ich will, dass wir uns wie Verliebte benehmen.« »Wir sind verliebt«, sagte ich.
»Dann lass uns für diesen Tag alle Zweifel beiseitewerfen. Sei mit mir zusammen, wie ich es mir immer gewünscht habe. Ich möchte dich anfassen, wenn ich will, und keine Angst haben müssen, wenn ich es nicht tue. Ich will, dass die vergangene Nacht etwas verändert.«
Ich nickte. »Also gut.« »Du siehst nicht überzeugt aus«, sagte er.
»Ich würde gern händchenhaltend mit dir durch die Straßen gehen, Richard. Mir fällt nur ein, dass ... Oh, Himmel, Richard, was soll ich Jean-Claude sagen?«
»Ich habe ihn einmal gefragt, wie viel Unterschied die Zeichen für dich ausmachen, wie viel schwerer du zu verwunden bist. Er wusste sofort, warum ich das wissen wollte. Schließlich erzählte ich ihm die traurige Geschichte von meinem Freund und seiner toten Freundin.«
Ich sah ihn gespannt an. »Was hat er geantwortet?« »Er sagte: Vertraue auf dich, mon ami. Du bist nicht dieser Mann mit der traurigen Geschichte, und Anita ist kein Mensch. Durch uns ist sie mehr als das. Wir beide drängen uns um ihre Menschlichkeit wie um die letzte Kerzenflamme in einer Welt der Finsternis. Aber durch unsere Liebe wird sie weniger Mensch und mehr als das.«
Meine Augenbrauen gingen in die Höhe. »Das hast du dir so genau gemerkt?«
Richard sah mich an, und es wurde ein langer, prüfender Blick. Er nickte. »Ich erinnere mich so genau, weil er Recht hat. Er hat Recht. Wir lieben dich jeder auf seine Art aus unterschiedlichen Gründen. Es ist nicht nur der Machtgewinn, der ihn zu dir hinzieht. Du hast ihn für ein Monster gehalten. Weil du das nicht mehr tust, fühlt er sich nicht mehr ganz so sehr wie ein Ungeheuer.«
»Klingt, als hättet ihr eine lange Unterhaltung gehabt.« »Ja, es war ein echtes Gespräch unter Männern.« Er klang verbittert und müde. »Das klingt
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