Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
doch nicht, dass er in einem Zimmer voll verbrecherischer Polizisten als Einziger ungefesselt war. Sollte es etwa so weit kommen, dass wir uns den Weg nach draußen erkämpfen mussten, hieß das Leute zu töten. Meines Wissens hatte Richard noch nie einen Menschen getötet. Er hatte schon bei Gestaltwandlern Skrupel.
Thompson zog meine Arme unter mir hervor und streckte sie zur Seite aus. Er fuhr tastend über meine Hände und Arme, als könnte nackte Haut eine Waffe verbergen, dann meinen nackten Rücken hinunter, die Taille entlang und tiefer. Seine Hände glitten über meinen Hintern und zwischen die Oberschenkel, schoben meine Beine auseinander. Das hatte zu viel Ähnlichkeit mit dem, was Richard getan hatte.
Ich hob den Kopf. »Was soll das werden? Noch so eine gefakte Vergewaltigung hier?«
Thompson schlug mir auf den Hinterkopf. »Sei still, oder ich sorge dafür, dass du still bist.« Aber er behielt jetzt die Hände bei sich. Er durfte mich gern schlagen, solange er mich nicht weiter befummelte.
»Wir können das alles beenden, Richard«, sagte Wilkes. »Alles könnte sofort vorbei sein. Verlassen Sie einfach die Stadt.« »Sie werden die Trolle abschießen«, sagte Richard.
Ich drehte den Kopf zu ihm herum. Ich wollte ihn anschreien: Lüge doch einfach! Wegen der Trolle konnten wir uns später Gedanken machen, jetzt wollte ich nur, dass er log. Das konnte ich aber schlecht laut sagen. Stattdessen starrte ich ihn an und wagte einen seltenen Versuch. Ich öffnete die Verbindung zwischen uns, ich griff nach ihm, nicht mit den Händen, aber es fühlte sich durchaus so an. Ich öffnete etwas in ihm, fühlte, wie es nachgab, sah ihn die Augen aufreißen, fühlte seinen Herzschlag.
Thompson packte mich bei den Schultern und drückte mich wieder aufs Bett. Das störte meine Konzentration.
Wieder klopfte es an der Tür. Der andere Hilfssheriff, der am ersten Tag bei Thompson gewesen war, kam herein. Sein Blick erfasste die Lage und blieb dann an mir hängen, aber er verzog keine Miene. »Draußen sammelt sich eine Menge, Sheriff.«
»Eine Menge?«, sagte Wilkes. »Die Ökos sind bei ihren kostbaren Trollen. Wenn das die paar Leibwächter sind, scheiß drauf.« Der andere schüttelte den Kopf. »Es ist ein ganzer Arschvoll Leute, Sheriff.«
Wilkes seufzte. Er sah Richard an. »Das ist meine letzte Warnung, Zeeman.« Er trat ans Bett, schob Thompson beiseite und ging in die Hocke, um mich auf Augenhöhe anzusprechen. Ich schlang die Decke um mich und drehte mich zu ihm herum.
»Wo sind Chuck und Terry?«, fragte er.
Ich sah ihn verständnislos an, ansonsten blieb ich nichtssagend. Es war gar nicht lange her, da konnte ich das noch nicht. Jetzt verriet mein Gesicht nichts. Es war so ausdruckslos wie ein Bettlaken.
»Wer?« »Thompson.« Wilkes stand auf. Thompson näherte sich dem Bett. »Muss er immer die Drecksarbeit machen, Wilkes? Sind Sie nicht Manns genug, um eine wehrlose Frau zu misshandeln?«
Wilkes verpasste mir einen Schlag mit dem Handrücken, der sich gewaschen hatte. Vielleicht hätte ich ihn abwehren können, aber der nächste Schlag wäre dann härter ausgefallen. Außerdem hatte ich darum gebeten, nicht weil ich ihn verdient hätte, sondern weil mir Wilkes' Misshandlung lieber war als Thompsons. Ich wollte niemals Thompson ausgeliefert sein, ohne dass Wilkes ihn zügelte. Thompson war kein Polizist, er war ein Schläger mit Dienstmarke.
Der zweite Schlag erfolgte mit der offenen Hand, der dritte mit dem Handrücken. Sie kamen so schnell und hart, dass nur die Ohren klingelten, und ich sah Sterne, die sprichwörtlichen Sterne. Dabei hatte er nicht einmal die Faust eingesetzt.
Wilkes stand vor. mir und atmete schwer. Er ließ die Arm, hängen. Das feine Zittern war wieder da, als kämpfte er damit nicht die Fäuste zu schließen. Wir wussten beide, wenn er das tat, würde er nicht mehr aufhören. Ein Faustschlag, und es wäre zu spät. Er würde mich schlagen, bis ihn jemand von mir wegzog. Und ich war nicht hundertprozentig sicher, dass hier jemand im Zimmer war, der das tun würde.
Ich sah zu ihm auf. Aus einem meiner Mundwinkel sickerte Blut. Ich leckte es mit der Zungenspitze ab und blickte in Wilkes braune Augen. Ich sah den Abgrund am anderen Ende, das Monster, das nur notdürftig eingesperrt war. Ich hatte unterschätzt, wie weit Wilkes auf der Kippe stand. In dem Moment wurde mir klar, dass diese letzte Warnung
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