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Anita Blake 10 - Ruf des Bluts

Anita Blake 10 - Ruf des Bluts

Titel: Anita Blake 10 - Ruf des Bluts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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Sprüngen, hielt aber. Ich strich mir mit den hellen Borsten über den Handrücken. Sie waren so weich, wie sie aussahen, seidig wie eine Babybürste. Ich hatte keine Ahnung, woraus diese Borsten bestanden.
     
    Ich schaute zu Nathaniel. Er beobachtete mich. Sein Gesichtsausdruck war neutral, als wäre das alles nicht wichtig, aber sein Blick war nicht neutral. Er war angespannt, rechnete mit Zurückweisung, rechnete damit, dass ich ihn in dem fremden Zimmer allein ließ, wo er nackt auf den Arzt wartete, der ihn zusammennähen würde. Er war neunzehn, und mit diesem verletzten Blick sah er wie neunzehn aus. Nein, sogar jünger. Sein Körper war prächtig. Ein Stripper muss auf sich achten. Aber das Gesicht ... das Gesicht war jung und zugleich alt. Nathaniel hatte von allen knapp Zwanzigjährigen, die ich kannte, den abgestumpftesten Blick. Nein, nicht den abgestumpftesten, den verlorensten.
     
    Ich ging zur anderen Seite des Bettes. Ich legte die Bürste auf das freie Kopfkissen.
     
    Nathaniel drehte den Kopf, um mich anzusehen. Nein, um mich zu beobachten. Er verfolgte jede kleine Regung. Das tat er so prüfend, dass ich mich vor Scham winden oder erröten oder weglaufen wollte. Es war nicht eigentlich erotisch, aber auch nicht ganz unerotisch.
     
    Egal welche Vergleiche Marianne benutzte, das war nicht dasselbe wie die Sorge für ein Kleinkind. Nathaniel war jung, aber ganz entschieden kein Kind. Jedenfalls nicht in der Weise, die mich zum Wohlfühlen veranlasst hätte.
     
    Ich zog mir die kurzärmlige Bluse aus. Niemand würde das Schulterholster sehen, und so war es kühler. Natürlich wäre es erst richtig kühl, wenn ich alle Pistolen und die Rückenscheide ablegte, aber so heiß war es nun auch wieder nicht. Dann schob ich doch noch die Firestar unters Kopfkissen. Sie war nicht ganz so groß, aber so etwas wie eine bequeme Pistole gibt es nicht, wenn man sich herumlümmeln will. Schusswaffen sind nicht zur Bequemlichkeit gemacht. Sie gehören zu den wenigen von Männern getragenen Dingen, die so unbequem sind wie hochhackige Schuhe.
     
    Ich kniete mich auf das Bett, noch außer Reichweite. Nathaniel war so leicht zu kränken, dass ich es laut aussprechen musste. »Ich habe nichts gegen dich, Nathaniel. Ich mag es nur nicht, den Schüler zu spielen.«
     
    »Du magst Marianne, aber mich lehnst du ab«, sagte er.
     
    Ich blinzelte erschrocken und starrte ihn an. Er hatte Recht und war scharfsichtiger, als ich ihm zugetraut hatte. Nach dieser klugen Äußerung ging es mir gleich besser. Wenn ein Verstand in diesem Körper steckte, dann war er nicht bloß ein submissiver Typ mit hoffnungslos verkorkster Psyche. Dann war er vielleicht zu retten. Das war der positivste Gedanke, den ich bisher an diesem Tag gehabt hatte.
     
    Ich kroch an seine Seite mit der Bürste in der Hand. Ich blickte ihn an, wie er ausgestreckt dalag und mich beobachtete. Sein Blick ließ mich innehalten. Er war zu eindringlich.
     
    Vielleicht hatte er das gespürt, denn er drehte den Kopf wieder auf die andere Seite. Jetzt sah ich nur noch seine langen braunen Haare. Selbst in dem dämmrigen Licht hatten sie eine unglaublich leuchtende Farbe. Das dunkelste Kastanienbraun, das man sich denken kann.
     
    Ich strich ihm durch die Haare. Sie fühlten sich an wie schwere Seide und waren warm, vielleicht von der Hitze. Der Ventilator blies über das Bett, blähte das Bettlaken, strich mir wie mit kühlen Fingern über den Rücken. Nathaniels Haare wehten ein bisschen, das Laken auf seinen Beinen bewegte sich wie von unsichtbarer Hand. Er rückte sich kurz zurecht, dann herrschte Reglosigkeit. Seine Haare, das Laken, alles lag vollkommen still, während sich der Ventilator abwandte. Er schwenkte zurück, bestrich alles in umgekehrter Reihenfolge: das rosa Laken, Nathaniels Haare, meine Brust diesmal und blies mir die Haare aus dem Gesicht, dann an uns vorbei, und die Hitze hüllte uns ein wie eine erstickende Decke.
     
    Die Brise am Fenster hatte sich gelegt. Der weiße Vorhang hing still wie ein Gemälde, bis der Ventilator zu ihm herumschwenkte. Ich kniete in dem heißen Zimmer, wo das einzige Geräusch das Surren des Geräts und das leise Klicken war, mit dem der Propellerarm seinen Halbkreis vollendete.
     
    Ich setzte die Bürste an, und meine Bewegung endete lange, bevor sie die Haarspitzen erreichte. Ich hatte mit vierzehn einmal Haare bis zum Po gehabt, doch Nathaniels reichten bis zu den Kniekehlen. Wäre er eine Frau gewesen,

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