Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
zwischen euch dreien entstanden ist. Ich kann dich zu ihrem Lenker machen.«
Ihr Gesicht drückte eine Wildheit aus, eine Kraft, die bezwingend war. Sie glaubte, was sie da sagte. Und ich seltsamerweise auch.
»Ich will die Kontrolle haben, Marianne, über alles. Das will ich mehr als alles andere. Wenn ich es schon nicht beenden kann, so will ich wenigstens Gewalt darüber haben.«
Sie lächelte, und das brachte ihre Augen zum Funkeln. »Gut. Dann beginnen wir mit der ersten Lektion.« »Was für eine Lektion?«, fragte ich misstrauisch. »Komm ins Haus, Anita. Die erste Aufgabe wartet auf dich, wenn du Herz und Verstand dafür öffnest.« Sie ging hinein, ohne auf mich zu warten.
Ich stand einen Moment lang in der Sommerhitze. Wenn ich Herz und Verstand dafür öffnete. Was sollte das nun schon wieder? Aber wie es so schön heißt: Es gab nur eine Möglichkeit, es herauszufinden. Ich öffnete die Fliegengittertür und ging nach drinnen. Lektion eins wartete auf mich.
37
Marianne brachte mich in das Zimmer, das sie Nathaniel gegeben hatte. Es war ein großes Schlafzimmer im Erdgeschoss. Am Morgen war es sicher strahlend hell, aber jetzt ~ um drei Uhr nachmittags war es dämmrig. Das Fenster stand offen, und der Wind hatte es bereits gefunden und blies in die ; weiße Spitzengardine. Ein kleiner Ventilator stand auf einem j Stuhl und bestrich das Bett mit kühler Luft. Die cremeweiße ', Tapete hatte einen feinen Streifen aus rosa Blümchen. In einer I Ecke der Zimmerdecke war ein großer brauner Wasserfleck.
An der Wand stand ein Himmelbett aus weiß lackiertem Metall. Die Tagesdecke war ein Quilt aus vielen violetten und rosa Blümchenstoffen und sah selbstgemacht aus. Sie lag zusammengefaltet auf einer großen Zedernholzkommode unter dem Fenster. »Zu heiß für Quilts«, hatte Marianne gesagt.
Nathaniel lag nackt auf den rosa Laken. Marianne zog sie ihm bis über die Oberschenkel und tätschelte ihm mütterlich die Schulter. Ich hätte gegen seinen unbekleideten Zustand protestiert, doch zum ersten Mal konnte ich seine Verletzungen deutlich sehen.
Er war von scharfen Krallen aufgerissen worden, beginnend an der Rückenmitte bis über die rechte Pobacke. Die Wunden waren tief und gezackt und wurden nach unten hin flacher. Die Kleidung musste wehgetan haben, höllisch weh.
Ich wunderte mich, dass Nathaniel mir seinen Rücken nicht längst gezeigt hatte. Normalerweise präsentierte er mir seinen Körper in aller Ausführlichkeit. Was hatte sich geändert?
Marianne zeigte auf das Telefon neben dem Bett. »Falls dein Freund von der Polizei anruft. Ich habe ein schnurloses für normale Anrufe, aber den Apparat am Bett benutze ich nur für Rudelangelegenheiten.«
»Falls jemand zufällig das schnurlose abhört«, schloss ich.
Marianne nickte. Sie ging zur Frisierkommode, die einen schweren ovalen Spiegel und Marmorknöpfe an den Schubladen hatte. »Wenn ich mich, als ich noch klein war, gekränkt oder einsam fühlte, hat meine Mutter meine Zöpfe gelöst und mir die Haare gebürstet. Sie hat sie gebürstet, bis sie wie Seide waren.« Sie kam mit einer Bürste in der Hand zurück. »Selbst heute noch, wenn ich niedergeschlagen bin, ist es mein größtes Vergnügen, wenn mir ein Freund die Haare bürstet.«
Ich sah sie an. »Du schlägst vor, dass ich dir die Haare bürste ?« Sie lächelte heiter und liebenswürdig, aber dem traute ich nicht. »Nein, nicht mir, sondern Nathaniel.« »Wie bitte?«
Sie kam auf mich zu und hielt mir mit diesem allzu heiteren Lächeln die Bürste hin. »Was dich Raina gegenüber so verletzlich macht, ist deine Zimperlichkeit.«
»Ich bin nicht zimperlich.« »Dann eben prüde«, sagte sie. Ich machte ein finsteres Gesicht. »Was soll das heißen?«
»Das heißt, dass du jedes Mal verlegen bist, wenn sich einer der Lykanthropen auszieht. Jedes Mal wenn dich einer von ihnen anfasst, verstehst du das sexuell. So ist es aber nicht immer gemeint. Ein gesundes Rudel bildet sich über tausend freundliche Berührungen, über tausend kleine Tröstereien. So wie man eine Beziehung zu einem Freund aufbaut. Jede Berührung stärkt sie.«
Ich zog noch stärker die Brauen zusammen. »Du sagst doch, es sei nicht sexuell gemeint.«
Jetzt runzelte sie die Stirn. »Dann nimm eben einen anderen Vergleich. Es ist, wie man die Beziehung zu seinem neugeborenen Kind aufbaut. Jede Berührung, Jedes Füttern, wenn
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