Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
vor ihm zwei Morde gestanden hat, ihm die Einzelheiten geschildert hat, aber er war nicht über seine Rechte aufgeklärt worden und darum war es vor Gericht nicht verwendbar. Niley verhöhnt die Polizei gerne.«
»Er hält sich für unantastbar«, sagte ich. »Aber die Geister sagen, Sie werden ihn umbringen.« »Das sagt sein Hellseher.« »Ich brauchte nur seinen Namen zu nennen, da waren sämtliche Kollegen im ganzen Land bereit, mir alles zu geben, was sie haben, falls wir den Kerl festnageln können«, sagte Dolph. »Der schurkigste aller Schurken«, überlegte ich.
»Niley ist sich nicht zu schade, auch mal selbst jemanden umzubringen. Mindestens zwei Tote in Miami gehen auf sein persönliches Konto. Sie müssen höllisch auf sich aufpassen. Wenn Sie auch nur den Hauch eines Beweises haben, rufen Sie mich an.«
»Sie haben hier keine Zuständigkeit«, sagte ich. »Vertrauen Sie mir, Anita. Sie kommen mit einem Beweis, und ich bringe Ihnen jemanden mit Zuständigkeit, der willens und imstande ist, diesen Kerl einzusperren.«
»Also steht er ganz oben auf der Fahndungsliste?« »Er hat eine Verbrecherkarriere hinter sich und noch nie länger als vierundzwanzig Stunden in einer Zelle gesessen. Den möchten viele Leute in vielen Staaten weghaben.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, sagte ich. »Weghaben heißt nicht tot, sondern hinter Gittern, Anita.« »Ich weiß, was Sie gemeint haben, Dolph.«
Einen Moment lang war er still. »Ich weiß, dass Sie das wissen, aber ich dachte, ich sag's trotzdem. Bringen Sie niemanden um.« »Würde ich je etwas so Ungesetzliches tun?« »Kommen Sie mir bloß nicht damit.«
»Tut mir leid. Danke für die vielen Informationen. Das ist mehr, als ich gehofft hatte. Nachdem ich ihn kennen gelernt habe, überrascht mich davon nichts. Er ist ein gruseliger Typ.« »Gruselig - Anita, er ist verdammt mehr als gruselig.« »Sie klingen besorgt, Dolph.«
»Sie sind da unten ohne Sicherheitsnetz, Anita. Die Kollegen dort sind nicht Ihre Freunde.« »Das ist eine Untertreibung«, sagte ich. »Aber die Staatspolizei ist jetzt auf den Mordfall angesetzt.« »Ich kann nicht zu Ihnen runterkommen«, sagte Dolph. »Ich würde Sie nie darum bitten.«
Er war so lange still, dass ich fragte: »Sind Sie noch da?« »Ja.« Er klang nicht glücklich. »Sie wissen, dass ich gesagt habe, Sie sollen niemanden umbringen?« »ja.«
»Ich würde es vor Gericht leugnen, aber zögern Sie nicht, Anita. Wenn es heißt, Sie oder er, treffen Sie die richtige Wahl.« Mir blieb der Mund offen stehen. »Dolph, meinen Sie, ich soll ihn ermorden, wenn sich die Gelegenheit bietet?«
Dolph schwieg wieder. Schließlich sagte er: »Nein, nicht ermorden, aber ich sage, lassen Sie sich nicht von ihm schnappen. Sie wollen nicht der Gnade dieses Mannes ausgeliefert sein, Anita. Einige seiner Opfer sind gefoltert worden. Er ist dabei sehr kreativ.«
»Was steht in der Akte, das Sie mir bisher verschwiegen haben?«
»Von einem schwamm der Kopf im Swimmingpool. Keine Spuren einer Waffe, er sah wie abgerissen aus. Den Körper hat man nie gefunden. So sind alle seine Fälle, nicht bloß grausam, sondern bizarr.«
»Werden Sie die Kaution hinterlegen, wenn ich ihn erwischt und festgenommen werde?«»Wenn Sie festgenommen werden, hat diese Unterhaltung nie stattgefunden.« »Aha.«
»Passen Sie auf sich auf, Anita. Niley kennt keine Grenzen. Das zeigen sämtliche Akten über ihn. Er ist ein lupenreiner Psychopath, und Beck und Hart sind von derselben Sorte.«
»Ich werde vorsichtig sein, Dolph. Ich verspreche es.« »Seien Sie nicht vorsichtig, seien Sie rücksichtslos. Ich will nicht identifizieren müssen, was von Ihrem Körper noch übrig ist, wenn er Sie zwischen die Finger kriegt.« »Wollen Sie mir Angst machen?« »Ja«, sagte er und legte auf.
Ich saß auf der Bettkante in diesem heißen, heißen Zimmer und hatte Angst. Ich hatte plötzlich viel mehr Angst als vorher. Dolph war nicht so leicht zu erschrecken. So hatte ich ihn noch nie reden hören.
Nathaniel berührte mich am Bein. »Was ist los?«
Ich schüttelte den Kopf und konnte das ungute Gefühl nicht loswerden. Dolph, der Verfechter von Recht und Ordnung, hatte mich ermutigt, jemanden zu töten. Das war noch nie da gewesen. Die Polizei riet mir, das Gesetz zu übertreten. Das war verrückt. Doch unter dieser Verwunderung saß die Angst, ein leises, zitterndes Unbehagen.
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