Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
stand knapp außer Reichweite.
»Wenn ich sein Meister wäre, was würde ich tun?« »Du würdest sein Blut trinken und die Fäulnis in dich aufnehmen, wie wir es bei Nathaniel getan haben.« »Ich dachte, Vampire trinken ihr Blut nicht gegenseitig.« »Nicht, um sich zu sättigen«, sagte Asher, »aber es gibt viele andere Gründe, es zu tun.«
Ich verfolgte, wie sich die Schwärze unter der Haut ausbreitete wie zerfließende Tinte. »Ich kann ihm die Fäulnis nicht aussaugen« , sagte ich. »Aber ich könnte es tun«, sagte Damian atemlos vor Schmerzen. »Nein!«, widersprach Asher. Er machte einen drohenden Schritt auf uns zu. Seine Macht schnellte hervor wie eine Peitsche.
Damian zuckte zurück, sah aber zu Asher auf, dem er flehend die Hände entgegenstreckte. »Was ist hier los?«, fragte ich und sah vom einen zum anderen.
Asher schüttelte den Kopf, zornig und ansonsten undurchschaubar. Ich sah, wie sich seine Züge wieder glätteten. Er verbarg etwas.
»Nein«, sagte ich und stand auf. »Nein, du sagst mir jetzt, was Damian meint.« Keiner antwortete. »Sag es! «, schrie ich in Ashers ruhiges Gesicht.
Er starrte mich nur an, verschlossen und gefühllos wie eine Puppe. »Verdammt noch mal, einer von euch sagt mir jetzt, was das heißen sollte. Wie könnte er selbst diese Fäulnis wegsaugen?« »Wenn ... «, begann Damian. »Nein«, sagte Asher und zeigte mit dem Finger auf ihn. »Du bist nicht mein Meister«, widersprach Damian. »Ich muss antworten.«
»Halt's Maul, Asher«, sagte ich. »Halt verdammt noch mal das Maul, und lass ihn reden.« »Willst du, dass sie alles für dich riskiert?«, fragte Asher. »Es muss ja nicht sie sein. Nur jemand, der mehr als menschliches Blut hat«, sagte Damian. »Erkläre es mir«, verlangte ich, »los.«
Damian tat es, in gehetztem Flüsterton, der ab und zu vor Schmerzen brach. »Wenn ich Blut von jemandem trinken würde, der machtvoll genug ist, könnte ich vielleicht ...« Er erzitterte, rang mit sich, dann redete er weiter. Seine Stimme wurde noch schwächer. »Dann könnte ich genug Macht in mich aufnehmen, um ... mich selbst zu heilen.«
»Wenn derjenige aber nicht machtvoll genug ist, wird er sterben wie Damian«, ergänzte Asher. »Es tut mir leid«, sagte Jason, »auf mich könnt ihr nicht zählen.« »Auf mich auch nicht«, sagte Zane. Jamil war bis an die Wand zurückgewichen und umschlang seine Arme. Er schüttelte bloß den Kopf. Cherry kniete neben dem Bett. Sie sagte nichts, aber ihre Augen waren angstgeweitet.
Ich drehte mich wieder zu Asher um. »Also muss ich es tun. Ich kann niemand anderen der Gefahr aussetzen.«
Asher packte meine Haare am Hinterkopf so blitzartig, dass ich die Bewegung gar nicht wahrnahm. Er drehte meinen Kopf zu Damian herum. »Ist das die Art, wie du sterben möchtest, Anita? Auf diese Weise? So?«
»Lass mich los, Asher. Sofort!«, quetschte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er ließ mich langsam los. »Tu das nicht, Anita. Bitte, nicht. Das Risiko ist zu groß.« »Er hat Recht«, kam es so leise von Damian, dass man es gerade noch hören konnte. »Vielleicht rettest du mich und tötest dich dabei selbst.«
Die Verwesung hatte die Schultern erreicht und glitt wie eine heimtückische Gewalt unter die Schlüsselbeine. Seine Brust leuchtete elfenbeinfarben. Ich fühlte sein Herz darin schlagen. Ich spürte es im Kopf, als hätte ich ein zweites Herz. Ein Vampirherz schlug nicht immer, aber seines schlug jetzt.
Ich hatte solche Angst, dass ich einen metallischen Geschmack im Mund bekam. Meine Fingerspitzen kribbelten von dem Drang wegzulaufen. Ich konnte nicht in diesem Zimmer bleiben und zusehen, wie Damian zu einer stinkenden Pfütze zerging, aber mein Verstand schrie, ich solle laufen. Irgendwohin weglaufen, wo ich das nicht mitansehen und mich schon gar nicht von diesen Händen anfassen lassen musste.
Ich schüttelte den Kopf. Ich starrte Damian an, nicht die verfärbte Haut, sondern sein Gesicht. Ich blickte in diese leuchtend grünen Augen mit dem Feuer der Smaragde. Es war grausig, dass mitten in dem fortschreitenden Verfall gerade das Schönste an ihm noch unberührt war. Seine Haut wie poliertes Elfenbein mit der Leuchtkraft eines Juwels, das Haar wie gesponnene Rubine und diese Augen, diese smaragdgrünen Augen ... Ich starrte sie an, zwang mich zum Hinsehen.
Ich schob mir die Haare zur Seite und entblößte meinen Hals. »Tu es.«
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