Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
hölzernen, unlebendigen Arm festzuhalten. Ich hasste es, wenn Jean-Claude sich so anfühlte. Das erinnerte mich daran, was er war und was er nicht war. »Lass ihn nicht sterben, nicht so. Bitte, mon chardonneret.«
Er fuhr zusammen, als hätte ich ihn geschlagen. Ich hatte ihn bei seinem alten Kosenamen genannt, den Jean-Claude ihm gegeben hatte. Mein Goldfink, hieß das, was im Englischen ziemlich albern klang. Aber Asher schien den Namen nicht albern zu finden. Er wirkte bestürzt.
»So hat mich seit über zweihundert Jahren niemand mehr genannt.« Sein Arm wurde weich und warm und fühlte sich wieder lebendig an. »Ich bitte nicht oft um etwas, aber jetzt tue ich es.« »So viel bedeutet er dir?«, fragte Asher.
»Er wird ständig von allen benutzt, Asher. Er braucht jemanden, dem er nicht scheißegal ist. Bitte, mon-« Er legte mir die Finger auf die Lippen. »Sag es nicht, Anita. Sag das nie wieder, ehe es dir nicht ernst ist. Ich werde ihn retten, Anita, für dich.«
Mir war, als hätte ich etwas Entscheidendes nicht begriffen. Ich konnte mich an Jean-Claudes Kosenamen für Asher erinnern, aber nicht daran, warum Asher Angst hatte, Nathaniel zu helfen. Ich beobachtete, wie er zum Bett hinüberging, und seine goldenen Haare fielen ihm wie ein glänzender Schleier um die Schultern, und auf einmal erschien mir dieses fehlende Stück Erinnerung sehr wichtig. Asher hielt Damian die Hand hin. »Komm, mein Bruder, oder verlässt dich jetzt der berühmte Mut deiner Vorfahren?«
»Ich habe schon deine Vorfahren erschlagen, bevor du der Stolz deines Großvaters warst.« »Scheiße, die Sache ist gefährlich, stimmt's?«, fragte ich.
Asher kniete sich neben das Bett. Er sah zu mir zurück, die goldenen Haare glitten über seine vernarbte Gesichtshälfte und bedeckten sie. Da kniete die goldene Makellosigkeit und lächelte, aber das Lächeln war bitter. »Wir können die Fäulnis in uns aufnehmen, aber wenn wir nicht mächtig genug sind, wird sie uns befallen, sodass wir sterben. Aber dein kostbarer Werleopard wird in jedem Fall gerettet.«
Damian kroch auf die andere Seite des Bettes und schob Zane beiseite. Nathaniel hatte aufgehört zu schreien. Er lag ganz still. Er war bleich und glänzte von Schweiß, atmete nur flach. Die Wunden auf seiner Brust eiterten. Es roch allmählich im Zimmer, noch schwach, aber schon deutlich. Der Biss am Hals sah noch genauso aus wie eben, doch ringsherum war alles grünlich schwarz wie ein mörderischer Bluterguss.
»Asher«, sagte ich.
Er blickte mich an und griff nach Nathaniels Oberschenkel. »Damian ist kein Meister.« »Ich kann deinen Leoparden nicht allein retten, Anita. Wen willst du retten? Was willst du opfern?«
Ich sah Damian an. Seine grünen Augen waren wieder menschlich. Er sah sehr sterblich aus, wie er neben Nathaniel hockte.
»Zwing mich nicht zu wählen.« »Aber es ist eine Wahl, Anita. Es ist eine.« Ich schüttelte den Kopf. »Willst du, dass ich ihn rette?«, fragte Damian.
Ich begegnete seinem Blick und wusste nicht, was ich antworten sollte.
»Sein Puls ist sehr schwach«, sagte Cherry. »Wenn du etwas tun willst, dann bald.« »Willst du, dass ich ihn rette?«, fragte Damian wieder. Nathaniels schnelle, keuchende Atemzüge waren der einzige
Laut in der plötzlichen Stille. Alle sahen mich an. Warteten auf meine Entscheidung. Und ich konnte nicht entscheiden. Ich spürte, wie ich nickte, so als täte ich es gar nicht selbst. Ich nickte. Die Vampire begannen zu saugen.
13
Im wirklichen Leben dauert das Aussaugen länger als in, Film. Entweder geht es viel zu schnell, oder sie blenden ab wie in den fünfziger Jahren vor einer Sexszene. Wir standen alle herum und sahen zu. Es war so still, dass man die leisen Sauggeräusche hörte.
Cherry kniete am Kopfende des Bettes. Sie überwachte Nathaniels Puls. Wir Übrigen hielten einen gewissen Abstand. Ich stand an den Schreibtisch gelehnt und strengte mich an, nicht ständig zum Bett hinüberzusehen. Alle wanderten ruhelos umher, sie schienen verlegen zu sein.
Jason kam zu mir und setzte sich ebenfalls auf die Schreibtischkante. »Wenn ich nicht wüsste, dass sein Leben auf dein Spiel steht, wäre ich neidisch.«
Ich sah ihn an und versuchte zu erkennen, ob er scherzt,'. Der Eifer in seinem Blick verriet, dass er das ernst meinte, und ich sah genauer hin, was sich vor mir abspielte.
Damian hatte Nathaniel auf
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