Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
Ich kniete mich wieder hin. »Anita«, sagte er. »Los, Damian, tue es, bevor ich die Nerven verliere.«
Er kam zu mir gekrochen, schob mir die Haare beiseite. Seine Hand war vollkommen schwarz. Er hinterließ eine feuchte Spur auf meiner Schulter. Etwas Schleimiges rutschte an meiner Bluse herab wie eine Schnecke. Ich konzentrierte mich auf das sahnige Weiß seines Gesichts, auf den eingedrückten Nasenrücken, mit dem ihm jemand das Profil ruiniert hatte.
Doch das reichte nicht. Ich drehte den Kopf weg, damit er mich nicht mehr berührte als nötig. Aus den Augenwinkeln sah ich ihn den Mund aufreißen und schloss die Augen. Es schmerzte wie zwei kräftige Nadelstiche und wurde nicht besser. Damian war nicht stark genug, um mich in seinen Bann zu schlagen und zu betäuben.
Seine Lippen schlossen sich um die Einstiche, und er begann zu saugen. Ich dachte, ich sollte es versuchen und meine Kräfte in ihn hineinzwingen oder meine Schutzschilde senken und ihn in meine Macht hineinlassen, damit er sie in sich aufnahm. Kurz nach dem Einstich begann zwischen uns etwas zu flackern. Macht, Magie, unsere Verbindung. Es sträubte mir sämtliche Haare.
Damian drängte sich an mich, drückte uns an der Brust aneinander, und die Macht brach über uns herein mit einem Ansturm, der im ganzen Zimmer ächzte. Wie von fern nahm ich einen Wind wahr, und der ging von uns aus. Erschaffen aus der kalten Berührung eines Vampirs und der kalten Beherrschung eines Totenbeschwörers. Erschaffen von uns.
Damian war ein saugendes Etwas an meinem Hals. Die Macht nahm den Schmerz und verwandelte ihn in etwas anderes. Ich spürte seinen Mund an mir, fühlte, wie er mein Blut schluckte, mein Leben, meine Kräfte. Ich sammelte sie und zwang sie in Damian hinein. Verfütterte sie mit meinem Blut.
Ich stellte mir seine Haut heil und makellos vor, fühlte die Macht in seinen Körper strömen, die fremde Macht hinausdrängen. Sie floss aus uns heraus, nicht auf den Boden, sondern in den Boden, durch den Boden in die Erde darunter. Wir exorzierten sie, trieben sie selbst aus uns heraus, und fort war sie.
So knieten wir in Macht gebadet. Ein Wind wehte mir Damians Haare ins Gesicht, und ich wusste, er kam von uns. Es war Damian, der den Kopf hob, und die Macht zwischen uns zerriss wie die Fäden eines Traums.
Ich hob seine Hände hoch. Sie waren gesund. Man sah es durch den schwarzen Schleim hindurch. Seine Arme ebenfalls. Er nahm mein Gesicht in beide Hände und küsste mich. Die Macht war noch da. Sie strömte über uns durch seinen Mund und brannte wie Feuer.
Ich löste mich von ihm und schaffte es, mich aufzurichten. »Anita.« Ich sah ihn an. »Danke«, sagte er. Ich nickte. »Gern geschehen.«
»Nun«, meinte Asher, »ist es wohl Zeit, dass wir alle duschen gehen.« Seine Hosen hatten lauter schwarze Flecke, seine Hände auch, und ich konnte mich nicht entsinnen, dass er Damian überhaupt angefasst hatte.
Mein Rücken war klebrig, wo Damian seine Arme gehabt hatte. Meine Hose war bis zu den Knien vollgesaugt. Ich würde sie verbrennen oder zumindest wegwerfen. Es hatte seine Gründe, dass ich immer einen Overall im Jeep hatte und überzog, bevor ich den Fundort einer Leiche betrat oder Tote aufweckte. Natürlich hatte ich nicht damit gerechnet, mich so schmutzig zu machen, ehe ich überhaupt die Hütte verließ.
»Duschen klingt großartig«, sagte ich. »Du zuerst.« »Darf ich vorschlagen, dass du zuerst gehst. Eine heiße Dusche ist eine Wohltat, aber für Damian und mich ein Luxus, keine Notwendigkeit.«
»Gutes Argument«, sagte ich. Das Zeug war mir nicht bis auf die Kopfhaut gesickert, aber ich spürte es, als ich mir in die Haare griff.
Es. Ich dachte immer nur »es«. Ich scheute vor dem Gedanken zurück, dass dieses »Es« Damians aufgelöstes Gewebe war. Manchmal muss man auf Distanz zu den Dingen gehen, wenn sie zu grausig werden. Die Sprache hält einige Mittel bereit. Das »Opfer« und »es« sind schnell bei der Hand, wenn es zu schrecklich ist, an den Mann oder die Frau zu denken. Wenn man sich die Gewebefetzen von einem geliebten Menschen von den Fingern wischt, muss man »es« denken. Muss man, sonst rennt man schreiend weg. Also hatte ich schwarz-grünes Es an mir kleben.
Ich wusch mir die Hände gründlich genug, dass ich mir etwas aus dem Koffer nehmen konnte, ohne mir sämtliche Kleider zu beschmutzen. Ich nahm mir eine Jeans und ein Polohemd. Asher
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