Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
standen mir auch bei Richard mystische Überraschungen bevor? Die Chancen dazu standen gut, und Jean-Claude hatte wirklich keine Ahnung, welche das sein könnten. Er kannte sich nicht mehr aus. Wirklich nicht. Inzwischen wusste ich selbst auch nicht mehr, was los war, und Richard hatte sowieso keinen blassen Schimmer. Also standen wir ziemlich beschissen da. Ich nahm mir vor, Marianne am nächsten Morgen anzurufen, denn ich nahm an, dass eine Magie im Grunde wie die andere war, aber bis dahin war ich auf mich allein gestellt. Welche Überraschung.
Natürlich nicht ganz allein. Ich drehte den Kopf zu Nathaniel. Er sah mich an. Er wirkte ausgeglichen. Seine Hände lagen im Schoß, er war noch angeschnallt. Er hatte sich einen dicken Zopf geflochten, sodass sein Gesicht schmucklos nackt war. Im Mondlicht wirkten seine Augen grau. Er sah so normal aus wie noch nie. Da saß er neben mir, und plötzlich wurde mir klar, dass ich Nathaniel noch nie als Person wahrgenommen hatte. Nicht als einen erwachsenen, eigenständigen Menschen. Ich hatte ihn als Belastung betrachtet. Er war jemand gewesen, den man ständig retten musste. Er war ein Fall, eine Aufgabe gewesen, aber keine Person.
Die Hitze drängte in den Wagen. Wenn wir noch länger so sitzen blieben, würde ich die Klimaanlage einschalten müssen. Wenn Jean-Claude die Sache richtig sah, dann hatte ich mit Nathaniel Sex gehabt. Ich hoffte, dass Jean-Claude die Sache falsch sah, weil ich in Nathaniel trotz allem noch ein Kind sah, das missbrauchte Kind. Das musste man behüten, und Sex war ausgeschlossen, selbst wenn es ihn selbst wollte.
Die Stelle, wo er mich gebissen hatte, tat noch ein wenig weh. Wir hatten so oft beieinander im selben Bett geschlafen, dass es seltsam war, wenn ich mal allein schlief. Ich konnte ihn noch immer nicht als Erwachsenen betrachten. Traurig, aber wahr.
»Jean-Claude ist ziemlich sicher, dass meine Ardeur ausreichend gestillt ist und heute Abend nicht mehr zum Problem wird«, sagte ich.
Nathaniel nickte. »Du brauchst erst wieder etwas, wenn du ein paar Stunden geschlafen hast. Jean-Claude hat es mir erklärt, ein bisschen.«
»Ach, tatsächlich?« Das machte mich sauer.
Er schüttelte den Kopf. »Anita, er macht sich Sorgen um dich.«
»Ja, jede Wette.«
»Du willst heute Nacht wirklich nicht im Zirkus schlafen, oder?«
»Auf gar keinen Fall.« Ich saß mit verschränkten Armen da und sah bestimmt genauso stur aus, wie ich war.
»Und wenn du morgen wach wirst, was dann?« Seine Stimme klang sehr weich in dem heißen, dunklen Wagen.
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Doch, das weißt du.«
Ich seufzte. »Ich will das nicht, Nathaniel. Ich will Jean-Claudes Inkubus nicht in mir haben. Lieber wäre ich eine echte Nimir-Ra, als mich an anderen sättigen zu müssen.«
»Und wenn nun beides der Fall ist?«, fragte er noch weicher.
Ich zuckte mit den Schultern und ließ die Arme verschränkt, aber mehr, um mich an mir festzuhalten. »Dann weiß ich auch nicht mehr weiter.«
»Ich werde für dich da sein, Anita.«
»Wo?« Ich sah ihn an.
»Morgen, wenn du wach wirst.«
»Was hat Jean-Claude dir sonst noch gesagt, während ich mich wegen Damian umgehört habe?«
Nathaniel sah mir fest in die Augen, ohne jede Unsicherheit. Er war durch das Thema nicht im Geringsten peinlich berührt. »Dass er es nicht übel nehmen würde, wenn du richtigen Sex mit mir hättest.«
Ich forschte in seinem Gesicht. »Du betrachtest nicht als Sex, was wir heute getan haben?«
»Nein.«
»Ich auch nicht, aber ...« Ich war froh, dass es dunkel war, weil ich nämlich rot wurde, aber ich wollte es unbedingt mal von jemand anderem hören. »Ich weiß, warum ich dieser Ansicht bin, aber was ist deine Begründung?«
Er lächelte und sah weg, als er antwortete. »Was wir beim ersten Mal gemacht haben, als du mich am ganzen Rücken gebissen hast, ging für mich mehr in die Richtung von echtem Sex.«
»Wegen der Dom-Sub-Sache?«
»Nein.« Er blickte weiter auf den Boden. »Wenn wir die Kondome wirklich gebraucht hätten, dann wäre es Sex gewesen.«
»Du meinst Geschlechtsverkehr«, sagte ich.
Er nickte, ohne mich anzusehen.
»So empfinde ich das auch. Jean-Claude sagt, ich mache mir was vor.«
Nathaniel schoss mir einen lächelnden Blick zu, dann starrte er wieder vor sich hin. »Er meinte zu mir, dass ich sehr
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