Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
Unabhängigkeit ermuntert. Ich dagegen forderte sie ein, soweit das Rudel dazu fähig war. Nathaniel war anfangs völlig hilflos gewesen, als ich von ihm verlangte, selbst Entscheidungen zu treffen, aber dann klappte es immer besser. Inzwischen war ich recht zuversichtlich, und Zuversicht war ein Gefühl, das ich gerade jetzt dringend brauchte.
Er hatte die Kleidung selbst ausgesucht, die er mir ans Krankenbett gebracht hatte. Schwarze Jeans, königsblaues T-Shirt mit Rundausschnitt, einen schwarzen BH, der bei diesem Ausschnitt nicht zu sehen war, passenden Slip, schwarze Joggingsocken, schwarze Nikes und eine kurzärmlige schwarze Bluse, um das Schulterholster mit der Browning zu verdecken. Manche Leute drängten mich, mir eine neue Pistole zu kaufen. Wahrscheinlich hatten sie recht damit. Es gab sicherlich eine, die mir besser in der Hand läge als die Browning. Aber ich schob es immer wieder auf. Die Browning war wie ein Teil von mir. Ohne sie fühlte ich mich unvollständig. Wie nach einer Amputation. Es brauchte schon etwas mehr als nur einen kleineren Kolben, um mich zu einem Wechsel zu bewegen. Vorerst also blieben wir zwei zusammen.
Nathaniel hatte auch meine Unterarmscheiden und die entsprechenden Messer mitgebracht. Ich hatte vor, sie im Wagen zu lassen, da die Bluse kurze Ärmel hatte. Es käme ein bisschen aggressiv rüber, wenn ich damit die Polizeiwache beträte. Vor kurzem hatte ich die Rückenscheide erneuert, die ich mir in New Mexico ruiniert hatte. Sie war eine Sonderanfertigung, und der Eilauftrag hatte mucho extra dinero gekostet, aber das war mir die Sache wert gewesen. Ich konnte sonst nirgends an mir eine so lange Klinge unterbringen, ohne dass der Griff zu sehen war.
Wir fuhren ohne zu reden. Nathaniel hatte nicht mal das Radio eingeschaltet, was er sonst gerne tat. Er hatte immer Musik um sich, wenn es möglich war. Aber heute Nacht war es still im Jeep.
Ich stellte schließlich eine Frage, zu der ich bisher noch nicht gekommen war. »Wer hat mir den Derringer in den Morgenmantel gesteckt?« Der Derringer lag jetzt im Handschuhfach.
»Ich.«
»Danke.«
»Zwei Dinge tust du immer zuerst: anziehen und bewaffnen.« Sein Lächeln leuchtete im vorüberschweifenden Licht einer Straßenlampe. »Bin mir nicht sicher, was Priorität hat.«
Ich musste schmunzeln. »Ich auch nicht.«
»Wie geht es dir?«, fragte er vorsichtig und leise in der rauschenden Stille des Wagens.
»Ich will nicht darüber reden.«
»Okay.« Er war einer, der so eine Antwort tatsächlich akzeptierte und nicht drängte. Wenn ich zu ihm sagte, dass ich nicht wollte, redeten wir nicht. Das Schweigen war nun ganz entspannt. Mit Nathaniel zu schweigen war sogar das Entspannendste an meinem ganzen bisherigen Tag.
Er parkte den Jeep, und wir stiegen aus. Ich hatte meinen Henkerausweis dabei, und bei der Polizei kannten mich die meisten vom Sehen. Mir fiel ein, dass sie mich ja für tot hielten. Als wir auf die Tür zugingen, dachte ich, dass ich vielleicht hätte anrufen sollen, um sie vorzubereiten, aber jetzt war es zu spät. Ich war zwei Schritte von der Tür entfernt. Jetzt würde ich das Handy auch nicht mehr aus der Tasche holen.
Normalerweise brauchte ich nur zu winken, um an der Pforte vorbeizukommen, aber heute Nacht riss der Wachmann die Augen auf. Er winkte mich an der Seite durch, wo ich nicht durch den Metalldetektor musste, und nahm das Telefon zur Hand. Ich war sicher, dass er mich oben ankündigte. Man sieht nicht alle Tage Leute, die von den Toten auferstanden sind. Na ja, ich schon, aber ein Polizist normalerweise nicht.
Ich kam auf dem Treppenabsatz an, wo es zum RPIT ging, als Detective Clive Perry die Tür aufriss und die Treppe runterkam. Er war ein schlanker, gutaussehender Afroamerikaner und zweifellos der höflichste Mensch, der mir je begegnet war. Doch jetzt lehnte er sich gegen die Wand, als hätte er weiche Knie bekommen. Er sah erschüttert - nein, erschrocken aus.
»Anita«, hauchte er. In den ganzen Jahren, die wir uns schon kannten, war das vermutlich erst das zweite Mal, dass er meinen Vornamen benutzte. Sonst war ich für ihn Ms. Blake.
Ich lächelte höflich. »Clive, was für ein netter Zufall.«
Sein Blick schoss zu Nathaniel und zurück zu mir. »Sie sollen angeblich ...« Er straffte die Schultern. »Ich meine, wir haben gehört ...« Ich konnte beobachten, wie er sich wieder fing. Bis wir auf der obersten
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