Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
mir an die Wange und blickte mir in die Augen, forschend, glaube ich. »Ich möchte zu gern wissen, was mit Ihnen los ist.«
Ich begegnete seinem Blick mit undurchdringlicher Miene. »Ich auch.«
Das schien ihn zu verblüffen, denn er machte große Augen und ließ die Hand sinken. »Dann hole ich mal Graf Dracula aus dem Knast, und Sie gehen zu Dolph.«
Ich musste mich zusammenreißen, um nicht die Schultern hängen zu lassen. Ich freute mich nicht auf das Gespräch. Zerbrowski ging, und ich ließ Nathaniel bei einer scheinbar netten Polizistin zurück, mit der er sich unterhielt.
Dolph stand in der Tür wie ein Berg. Er ist zwei Meter fünf groß und gebaut wie ein Wrestler. Seine dunklen Haare waren sehr kurz geschnitten, sodass die Ohren auffällig nackt erschienen. Sein Anzug war faltenfrei, die Krawatte sorgfältig gebunden. Wahrscheinlich war er schon seit acht Stunden im Dienst, sah aber noch immer aus wie aus dem Ei gepellt.
Sein Blick war abschätzig. »Ich bin froh, dass Sie am Leben sind.«
»Danke, ich auch.«
Er winkte mir mitzukommen und ging den Flur hinunter zu einem der Befragungsräume. Er wollte anscheinend ungestört sein. Was selbst hinter der Glaswand seines Büros nicht der Fall gewesen wäre. Mein Magen zog sich zusammen, und mich beschlich eine leise Angst. Nicht, als könnte er mich körperlich angreifen. Aber seine verspannten Schultern, seine Vorsicht, der kalte Blick, mit dem er sich vergewisserte, dass ich ihm folgte, flößten mir Unbehagen ein.
Ich spürte genau, wie wütend er war, fast als verströmte er die Energie eines Gestaltwandlers. Was hatte ich getan, um solche Wut auf mich zu ziehen?
Er hielt mir die Tür auf, und ich quetschte mich an seiner Masse vorbei. »Nehmen Sie Platz«, sagte er, als er die Tür hinter sich schloss.
»Ich bleibe stehen, danke. Ich möchte vor der Dämmerung mit Jean-Claude hier weg sein.«
»Ich dachte, Sie wären nicht mehr mit ihm zusammen«, sagte Dolph.
»Er sitzt hier, weil er mich angeblich umgebracht hat. Da ich nicht tot bin, würde ich ihn gern abholen.«
Dolph sah mich nur an, so distanziert, als wäre ich eine Zeugin, nein, eine Verdächtige, die er nicht besonders leiden konnte.
»Jean-Claude hat einen ziemlich guten Anwalt. Wie haben Sie ihn über zweiundsiebzig Stunden ohne Anklage festhalten können?«, fragte ich.
»Sie sind für die Stadt ein Juwel. Ich habe jedem erzählt, dass er Sie getötet hat, und dann haben sie dafür gesorgt, dass er eine Weile nicht aufzufinden war.«
»Mensch, Dolph, Sie können von Glück reden, dass nicht irgendein übereifriger Kollege ihn in eine Zelle mit Fenster gesperrt hat.«
»Ja, zu schade.«
Ich starrte ihn an und wusste zuerst nicht, was ich sagen sollte. »Ich bin am Leben, Dolph. Er hat mir nichts getan.«
»Wer dann?«
Jetzt war ich es, die ihm den kalten Blick präsentierte.
Er trat vor mich, ragte hoch über mir auf. Nicht um mich einzuschüchtern. Er wusste, dass das nicht funktionierte. Er war einfach so groß. Er griff mir unters Kinn, um mein Gesicht zur Seite zu drehen. Ich riss mich los.
»Sie haben Narben am Hals, die vor einer Woche noch nicht da waren. Sie sind alle frisch verheilt. Wie kann das sein?«
»Würden Sie mir glauben, wenn ich sage, ich weiß es nicht?«
»Nein.«
»Na bitte.«
»Lassen Sie mich die Narben sehen.«
Ich schlug die Haare zur Seite und ließ ihn mit dem Finger an der verheilten Wunde entlangfahren.
»Ich will auch die übrigen Verletzungen sehen.«
»Muss dafür nicht eine Polizistin anwesend sein?«
»Wollen Sie wirklich, dass das noch jemand anderes sieht?«
Das war ein Argument. »Warum wollen Sie sie sehen, Dolph?«
»Ich kann Sie nicht zwingen, aber ich muss sie mir ansehen.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er und klang zum ersten Mal angestrengt.
Ich zog die Bluse aus, legte sie auf den Tisch, streckte ihm den linken Arm hin und schob den T-Shirt-Ärmel hoch.
Er strich mit dem Finger an den Narben entlang. »Wieso eigentlich schon wieder der linke? Da kriegen Sie immer das meiste ab.«
»Wahrscheinlich, weil ich Rechtshänder bin. Ich lasse sie am linken Arm kauen, während ich mit der rechten Hand zur Waffe greife.«
»Haben Sie den Beißer getötet?«
»Nein.«
Er blickte mich an, und einen Moment lang kam seine Wut durch. »Ich wünschte,
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