Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
nicht glaubte. Er glaubte nicht, dass Gregory die Sache überstehen würde, und das machte ihm Angst.
Ich kniete mich neben sie und war kaum kleiner als Stephen. Ich stellte mich seinem Blick, seiner stummen Forderung und sagte: »Ich werde versuchen, ihn zu heilen.«
Caleb sagte: »Wenn Micah das nicht konnte, wieso meinst du, dass du das schaffst?«
Ich machte mir nicht die Mühe, den Kopf nach ihm zu drehen. »Ein Versuch kann nicht schaden.« »Du hast nicht mal deinen ersten Vollmond hinter dir. « sagte Merle. »Du kannst kein Fleisch beschwören, noch jedenfalls, vielleicht auch nie. Das ist ein seltenes Talent.«
Ich sah auch Merle nicht an. »Ich habe nicht vor, es auf die Weise zu versuchen. Ich wüsste nicht mal, wie das geht.« »Wie willst du ihn dann heilen?«, fragte Merle. »Durch die Munin.«
»Wie soll ein Werwolfgeist einen Werleoparden heilen? «
Ich schüttelte den Kopf. »Schon bevor ich die Munin einsetzen konnte, habe ich Leoparden geheilt.«
»Du hast Nathaniel einmal geheilt«, sagte Cherry. »Zwei Mal sogar, aber außer ihm keinen.«
»Wenn es bei einem geht, sollte es auch bei allen anderen von euch klappen« , sagte ich.
Cherry runzelte die Stirn. »Was ist los?« »Du heilst mit Raina, bei der alles sexuell war, und du b( gehrst Nathaniel. Zu Gregory hast du dich nie hingezogen gefühlt.«
Ich zuckte die Achseln. Sie sprach so ziemlich die Zweifel aus, die mir selbst durch den Kopf gingen, aber sie laut zu hören, fand ich beunruhigender. Meine Zweifel wuchsen, und ich kam mir nuttig vor, weil ich zum Heilen sexuelle Anziehung brauchte, aber ich überwand das Gefühl. Wenn ich Gregory das Gehör und das Leben retten konnte, war ein bisschen Unbehagen kein zu hoher Preis dafür.
Ich sah zu Gregory hinab, der in Fötushaltung dalag und sich an seinem Bruder festhielt, als wäre er der letzte Halt im Universum, als würde er, wenn er losließe, auf Nimmerwiedersehen davon driften.
Ich strich ihm sacht über die Haare, und er drehte ein wenig den Kopf, sodass er mich durch seine wirren Strähnen ansehen konnte. Ich schob ihm die Locken aus dem Gesicht. Eine Geste für ein Kind. Früher hatte ich Gregory verabscheut, weil er einige Dinge für Raina und Gabriel getan hatte, als sie noch lebten. Doch seit sie tot waren und er wusste, dass er sich frei entscheiden konnte, hatte er solche Dinge nicht mehr getan. Hatte er mich absichtlich zur Nimir-Ra gemacht? Als ich in seine großen blauen Augen blickte, glaubte ich das nicht. Nicht aus Naivität, sondern weil Gregory' dazu einfach nicht dominant genug war. Innerhalb eines Sekundenbruchteils eine Entscheidung zu treffen, die den Status quo veränderte, war nicht sein Ding. Er würde debattieren oder sich Rat holen oder um Erlaubnis fragen, aber er würde sich nicht ohne Rückendeckung entscheiden. So gut kannte ich ihn. Richard nicht.
Ich berührte sein Gesicht, nahm es in die Hände und drehte es zu mir herum, sodass er nicht ständig die Augen zu verdrehen brauchte, was mich nervte. War für meinen Geschmack zu unterwürfig. Ich schaute in dieses schöne Gesicht, über die welligen Haare, den gekrümmten Rücken, die Rundung der Hüfte, empfand aber nichts. Ich fand ihn schön, hatte mir aber angewöhnt, meine Leoparden mit neutralen Augen zu betrachten. Man kann mit jemandem befreundet sein und rnit ihm schlafen. Der Trick ist der, dass man dessen emotionales und körperliches Wohlbefinden mehr will als den Fick. Wenn man diese Grenze überschreitet und mehr am Sex als am Glück des Freundes interessiert ist, dann ist man kein Freund mehr. Allenfalls Geliebte, aber nicht mehr Freund.
Doch es war mehr als das. Cherry hatte recht: Gregory hatte mich nie auf diese Weise interessiert. Seufzend zog ich die Hände zurück. »Was ist?«, fragte Stephen.
»Er ist hübsch, aber ... «
Stephen lächelte ein wenig. »Aber du brauchst mehr als eil, hübsches Gesicht, um Lust zu kriegen.«
Ich zuckte die Achseln. »Ja, obwohl das mein Leben manchmal einfacher machen würde.«
»Ich weiß noch, wie ich dir beim ersten Mal, als du Nathaniel heilen wolltest, ständig gut zureden musste«, sagte ich leise. Ich nickte. »Das weiß ich auch noch.«
Gregory setzte sich auf und beobachtete unsere Gesichter, versuchte in unseren Lippenbewegungen zu lesen. Es hatte etwas Verzweifeltes. Er war so voller Angst. Gott, bitte mach, dass ich ihm helfen kann, dachte
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