Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
schnitt ihm in den Unterarm, zu schnell, dass er es nicht mehr verhindern konnte. Er fuhr zusammen, sprang auf und wich einen Schritt zurück, während er sich den blutenden Arm hielt. Der Schnitt war tiefer als beabsichtigt, weil es schnell gegangen war. Das Blut tropfte ihm zwischen den Fingern durch. Jamil und Shang-Da gingen zu ihm.
Ich stand auf und hob Nathaniel mit hoch, der sich dabei die Shorts hochzog. Ich brachte uns mit dem Rücken zu den französischen Fenstern. »Du wirst nie wieder im Zorn einen meiner Leoparden anfassen, Richard, weder du noch deine Wölfe.«
Jamil gab Richard ein Handtuch, das er sich auf die Wunde drückte. Shang-Da war gegangen, um Dr. Lillian zu holen. »Du hättest es verdient, dass ich jetzt gehe und dich mit dem Problem allein lasse.«
»Du würdest Gregory taub werden lassen oder ihn sterben lassen, weil wir uns gestritten haben? Er schwebt in Lebensgefahr, weil du deinen Zorn nicht zügeln konntest, und deine Wölfe auch nicht.«
„Es ist meine Schuld, klar, alles meine Schuld.«
Ich sah ihn stumm an, behielt Nathaniel hinter mir und das blutige Messer in der Hand.
Richard stieß ein Lachen aus, aber es klang mehr gequält als erheitert. »Ich habe heute Nacht jeden im Stich gelassen.« Er blickte mich an und strahlte eine Wildheit aus, die nichts mit seinem Tier zu tun hatte, sondern von seinem inneren Gefühlschaos kam. Ich sah seine Seelenqual. »Ich werde dir helfen, Gregory zu retten, weil du recht hast: Es ist meine Schuld. Ich werde die Schnittwunde hinnehmen, weil du auch damit recht hast: Es stand mir nicht zu, einen deiner Leute grob anzufassen. Ich würde es auch von dir bei meinen Wölfen nicht dulden.«
Dr. Lillian kam herein, nahm mit einem Blick die Szene auf und fing an, mit uns zu schimpfen, als wären wir Kinder, die nicht friedlich miteinander spielen können. »Das muss genäht werden. Schämt euch! Alle beide.«
Richard schaute über ihren Kopf hinweg, während sie seine Wunde versorgte. Ich glaube, sein wütender Blick galt nicht mir, sondern Nathaniel. Er war wirklich eifersüchtig. Auf eine Weise, die unnötig war. Was hatte Jean-Claude ihm über die Ardeur und über Nathaniel und über jenen Morgen neulich im Zirkus erzählt? Jean-Claude log nicht, aber er hatte es drauf, die Wahrheit schlimmer klingen zu lassen, wenn das seinen Zwecken entgegenkam. Aber welchem Zweck diente es, wenn er Richard auf Nathaniel eifersüchtig machte? Ich würde ihn fragen müssen. Und solange Richard genäht wurde, hatte ich Zeit, ihn anzurufen.
34
Jean-Claude gab lediglich zu, die volle Wahrheit gesagt zu haben. Aber, fügte er hinzu, falls Monsieur Zeeman deswegen auf Nathaniel eifersüchtig sei, sei das insgesamt gesehen nicht allzu schlecht. »Er will dich mit mir teilen, weil er muss, und er will dich auch mit Micah teilen, weil er muss, aber wir sind beide Alphas, dominant. Dich mit jemandem wie Nathaniel zu teilen - das ist etwas anderes.«
»Du hast an der Geschichte etwas verändert, damit Nathaniel für ihn als Bedrohung erscheint, stimmt's ?«
»Nein, ma petite, ich habe nur die Wahrheit gesagt, ohne etwas auszulassen. Mit Jason ist er auch nicht so ganz glücklich.« »Jean-Claude, das kannst du Richard nicht antun. Du treibst ihn in den Wahnsinn.«
»Ich mache ihn nur ein bisschen verrückt, damit er endlich einsieht, dass er ohne dich nicht leben kann und sich mit unserem Triumvirat anfreunden muss.« »Du machtbesessener, intriganter Mistkerl, du spielst mit ihm.«
»Ich will nur erreichen, dass er tut, was nötig ist, damit wir überleben können. Wenn das machtbesessen und intrigant ist, soll es mir recht sein.« »Du machst die Dinge nur schlimmer«, sagte ich.
»Das glaube ich nicht. Ich glaube eher, dass du die Männer nicht verstehst, ma petite. Viele Männer geben eine Frau auf, wenn sie mit ihr unglücklich sind. Aber wenn ein anderer sie zu erringen versucht, stellen sie häufig fest, dass sie sie doch noch begehren.«
»Du und Micah sind nicht Konkurrenz genug?« »Wie gesagt, wir sind gleichrangig. Nathaniel nicht, und das kränkt seinen Stolz viel mehr.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass Richard auch diesen destruktiven Männerstolz hat.« »Es gibt vieles, was du über unseren Richard nicht weißt.« »Aber du, ja?«
»Ich bin schließlich ein Mann, ma petite. Ich glaube, ich verstehe die männliche Psyche ein bisschen besser als du.«
Dem konnte ich
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