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Anklage

Anklage

Titel: Anklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Schollmeyer
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Kollegen führte. In einem Raum von beeindruckender Größe und Höhe thronte er hinter einem riesigen Schreibtisch. Eine Wand des Raums war übersät mit Fotos, die ihn zusammen mit den Reichen, Schönen und Wichtigen des Landes zeigten. Der Kollege selbst saß auf einem schwarzen Lederbürostuhl an seinem Schreibtisch.
    »Nehmen Sie doch bitte Platz, Herr Kollege«, sagte er und deutete auf einen der beiden Besucherstühle vor dem Schreibtisch. Der andere war bereits besetzt; dort saß ein muskulöser, braun gebrannter Mann, der wie ein Bodyguard aussah, aber Jeans und T-Shirt trug. Ich setzte mich, während der Bodyguard mich bedrohlich mit seinen Blicken fixierte.
    »Schön, dass Sie kommen konnten. Können Sie sich vorstellen, warum ausgerechnet wir beide reden sollten?«
    »Ich denke, wir entwerfen eine gemeinsame Verteidigungsstrategie. So wie wir es am Telefon besprochen haben.«
    »Fast. Die Strategie ist schon fertig. Ich möchte Sie Ihnen nun vorstellen«, erwiderte der berühmte Kollege lächelnd.
    Langsam dämmerte mir, dass etwas nicht stimmen konnte, und ich fühlte mich zunehmend unwohl.
    »Also«, fuhr er fort, »mein Mandant und sein Berater - das ist übrigens der Herr, der neben Ihnen sitzt - haben sich die Strategie folgendermaßen vorgestellt. Wie Sie wissen, ist Ihr Herr Mandant ja Teil eines nennen wir es der Einfachheit halber mal Netzwerks. Mein Mandant ist ebenso ein Teil dieses Netzwerks. Und deshalb hat der Berater meines Mandanten vorgeschlagen, dass Ihr Mandant einfach die Schuld, die im Gerichtssaal ungeklärt bleibt, auf sich nimmt und meinen Mandanten entlastet. Im Gegenzug betreuen mein Mandant und sein Berater die Geschäfte Ihres Mandanten so lange weiter, bis er aus einer möglichen Haft nach einer eventuellen Verurteilung entlassen wird. Aber das mit der Haft liegt ja an Ihnen.« Er lächelte väterlich. »Für Ihren Mandanten hätte das den Vorteil,
dass er gleich nach seiner Entlassung wieder Teil eines funktionierenden Betriebs ist und sein bisheriges Leben wieder aufnehmen kann. Man kennt das ja. Da kommt jemand in den Knast und nach der Entlassung steht er vor einem Scherbenhaufen. Und was passiert? Er macht irgendeine Dummheit, für die er gleich wieder in den Bau marschiert. Wenn man dagegen einen Platz hat nach der Entlassung, ist das doch besser. Deshalb werden wir das so machen, wie ich es Ihnen gesagt habe. Würden Sie das bitte Ihrem Mandanten bestellen!«

    Beide sahen mich an und warteten auf ein Kopfnicken oder eine sonstige Bekundung der Zustimmung. Das väterliche Lächeln war aus dem Gesicht des Kollegen verschwunden. Diese Variante der Verteidigung kam für mich überhaupt nicht infrage, denn ich verkaufe keine Mandanten und außerdem bin ich kein Bote irgendwelcher Netzwerke. »Das werde ich gern in Erwägung ziehen, wenn Sie mir bitte erklären könnten, warum wir die Sache nicht einfach anders herum machen. Mein Mandant übernimmt die Position Ihres Mandanten und wärmt ihm die Stelle bis nach der Entlassung«, gab ich zurück. Der Bodyguard quittierte diesen Satz mit einem lauten Schnauben.
    »Ich glaube, Sie wissen selbst am besten, dass diese Frage überflüssig und unklug war«, sagte der Kollege. »Denken Sie nochmals über den Vorschlag nach und besprechen Sie ihn in aller Ruhe mit Ihrem Mandanten. Wir erwarten die Antwort bis Freitag.« Er lächelte wieder milde.
    Ich stand auf und ging zur Tür.
    »Ach, und noch was«, gab mir der berühmte Kollege mit auf den Weg. »Sie haben sicher schon gehört, dass ich sehr einflussreiche Freunde habe. Sie sind ein talentierter Anwalt, da sollten Sie auch auf sich schauen. Dann wird alles gut. Vergessen Sie das bitte nicht.«

    Ich quittierte diesen letzten, deutlichen Hinweis mit einem Kopfnicken und verließ die Kanzlei.

    Anstatt wie üblich in meine Kanzlei zurückzufahren, rief ich an und entschuldigte mich. Ich schob wichtige familiäre Gründe für mein Wegbleiben vor, dann schaltete ich mein Handy aus, zog eine alte Jeans an und ging in eine Bar. Mir war schlecht und ich wollte einen Drink. Hatte mir tatsächlich ein Kollege gedroht? Und das Ganze nicht mit rechtlichen Argumenten, sondern mit Konsequenzen für mich persönlich oder wenigstens für meine Karriere? Früher war die Käuflichkeit in meinen Augen eine der schlimmsten Verfehlungen, die ein Anwalt begehen konnte, aber weil ich irgendwie selbst käuflich geworden war, war ich da nicht mehr so genau gewesen. Aber offene Drohungen gegen einen

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