Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anklage

Anklage

Titel: Anklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Schollmeyer
Vom Netzwerk:
ich nicht widersprechen, denn es stimmte, was mein Mandant gesagt hatte. Wir waren durch die gegen mich gerichtete Intrige, die ja seinen Fall betraf, verbunden und mussten gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Schließlich ging es auch darum, dass mein Mandant die Schuld auf sich nehmen sollte, die er eigentlich nicht allein zu tragen hatte.
    »Es sieht ganz so aus. Wie macht man so was in Ihrer Welt, in meiner reicht das Wort«, antwortete ich.
    Er grinste mich an: »In meiner reicht das Wort erst recht. Gefährlich wird es erst, wenn man sein Wort bricht.«
    Ich legte ihm also die Taktik dar, die ich mir in der Kanzlei ausgedacht hatte, erklärte die Vorteile und Nachteile, die Risiken und die Chancen. Und mangels Alternativen einigten wir uns auf diese Taktik.

    Kurz bevor er durch die Tür in den Gefangenentrakt zurückging, drehte er sich zu mir um. »Eins wäre da noch. Da wir nun Partner sind, denke ich, wir sollten uns duzen.« Er streckte mir seine fleischige Hand hin. Ich nickte ihm zu.

    Partner, dachte ich auf dem Weg zurück in die Kanzlei, das war wohl das falsche Wort. Wir waren eher eine Schicksalsgemeinschaft. Jetzt war ich tatsächlich in einer Situation, in der ich mit einem Straftäter kooperieren musste, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Schon der Gedanke an so eine Situation hätte mich zu Studienzeiten verrückt gemacht. Im Studium diskutierten wir ausführlich die Frage, ob zum Beispiel der Staat illegal gewonnene Informationen und Beweise von Kriminellen erwerben und bezahlen darf, um andere und größere Kriminelle zu überführen. Damals lehnte ich jede Zusammenarbeit kategorisch ab, weil ich dachte, Gerechtigkeit findet immer ihren Weg. Jetzt war der Moment gekommen, wo nur dieser Weg zur Gerechtigkeit blieb. Plötzlich sah ich diese Frage mit ganz anderen Augen. Ich war mir sicher, dass aus Gründen der Waffengleichheit eine Zusammenarbeit zwischen Gut und Böse zu Gunsten der Gerechtigkeit im Augenblick zwingend war. Es war Zeit zurückzuschlagen.
    Zurück in der Kanzlei, rief ich den Staatsanwalt an, der die Ermittlungen gegen meinen Mandanten leitete. Das war der erste Schritt meiner Taktik. Wichtig dabei war, den Überraschungseffekt auszunutzen, außerdem mussten wir schneller sein als unser Gegner. Nur so konnte ich den Druck auf unsere Seite abbauen. Während mein Mandant dazu gebracht werden sollte, dass er eine für die Gegner günstige Aussage abgibt, war meine Situation komplexer. Ich sollte für meine fehlende Kooperationsbereitschaft »bestraft« werden, indem mein Ruf zerstört wurde. Folge davon war ein Vertrauensverlust in der Anwaltschaft - aber auch bei meinem aktuellen Mandanten.

    Ziel der Intrige war ein Verteidigerwechsel als Folge des Vertrauensverlusts. Wäre ich erst aus dem Mandat ausgeschieden, könnte ein anderer, folgsamerer Rechtsanwalt an meine Stelle treten und die von mir abgelehnte Mission zum gewünschten Ende für das »Netzwerk«, wie der berühmte Kollege es genannt hatte, bringen.
    Eine einfache Lösungsvariante wäre gewesen: Ich rufe den Kollegen an, gebe das Mandat sofort zurück und überlasse damit meinen Mandanten seinem Schicksal. Dann handle ich mit dem berühmten Kollegen und dem Netzwerk eine kleine Sonderprämie für mich und die Kanzlei aus, die den Verlust des Mandats erträglich machen würde. Am Geld wäre es dabei sicher nicht gescheitert. Aber: Ein Aufgeben des Mandats führt zu einem unausgesprochenen Schuldeingeständnis, was wiederum eine Verurteilung meines Mandanten und mein berufliches Aus bedeutet hätte. Ich wäre also erledigt gewesen, wenn ich die Forderung nach Aufgabe zum jetzigen Zeitpunkt erfüllt hätte. Denn dadurch würde sich die gegen mich laufende Ermittlung nicht erledigen; der Staatsanwalt war ja ganz versessen darauf, einen Anwalt zur Strecke zu bringen. Vielleicht bringt ihm das besondere Bonuspunkte bei der Beförderung oder aber vielleicht sah er Anwälte als seine natürlichen Feinde an. Nein, dieser Staatsanwalt war nicht einfach so zu stoppen. Er wollte das Verfahren gegen mich zu Ende bringen und gewinnen. Somit schied dieser Staatsanwalt als Gesprächspartner aus, aber es gab ja noch den anderen Staatsanwalt, der das Verfahren gegen meinen Mandanten leitete. Das war unser Mann! Ihn mussten wir als »Verbündeten« gewinnen, dann hatten wir eine echte Chance gegen diese Intrige meines berühmten Kollegen und seiner Hintermänner. Es musste schnell gehen, denn wenn sich innerhalb der

Weitere Kostenlose Bücher