Ankunft
Miene sah, tätschelte sie ihr
begütigend den Arm. »Ich kenne meinen
Weyrgefährten, Torene. Sein größter Fehler liegt darin
…«
»Aber das ist es ja, Sorka. Er hat keine Fehler. Er hat immer recht.« Torene behauptete dies ohne Häme, aber mit einem Anflug von Verzweiflung. »Einen besseren Weyrführer können wir uns nicht wünschen, trotzdem …«
»Es gibt noch weitere tüchtige Reiter, denen man die Führung eines Weyrs anvertrauen kann.«
»Das ist noch nicht alles.« Torene beugte sich näher an Sorka heran. »Es heißt, die Bewohner der Insel Ierne planten einen Umzug auf den Nordkontinent. Dort wollen sie die Ostküste besiedeln. Wir haben so oft damit geprahlt, daß räumliche Entfernung für einen Drachen keine Bedeutung besitzt…« – Torenes Grinsen zog sich in die Breite –, »daß sie jetzt davon ausgehen, wir könnten sie an der Ostküste ebenso gut beschützen wie hier im Westen.«
Sorka prustete vor Lachen. »Ihr habt euch ins eigene Fleisch geschnitten, hätte mein Vater in diesem Fall gesagt.«
Torene blinzelte sie verständnislos an. »Was heißt
das?«
Sorka fand, es sei ein bißchen unfair, daß dieses
Mädchen so viele Vorzüge auf sich vereinte – ein schö-
nes Gesicht, unglaublich lange Wimpern, eine anmutige
– Sean meinte – ›sexy‹ Figur, obendrein Verstand und 223
Ausstrahlung. Selbst das kurzgetrimmte Haar –wegen
der eng anliegenden Reithelme war dies die einzig
praktische Frisur – ringelte sich in kleidsamen
Löckchen, die die hochangesetzten Wangenknochen
und die feingemeißelten Züge betonten.
»Es bedeutet, daß sich selbst jemand eine Falle stellt.
Wir Drachenreiter sind so voll des Lobes über uns
selbst, daß man uns halt beim Wort nimmt.«
»Ach so!« Torene kicherte vergnügt. »Stimmt
haargenau. Aber wenn wir uns nicht beeilen, reißen sich die Inselbewohner das beste Höhlensystem unter den
Nagel, und wir müssen uns mit dem begnügen, was
übrig bleibt«, setzte sie unwirsch hinzu.
»Du bist eine echte Drachenreiterin, Mädchen«, kommentierte Sorka. »Für uns ist das beste gerade gut genug.«
»Ach, so habe ich das nicht gemeint, Sorka, und das weißt du genau. Aber der alte Krater eignet sich ideal für einen zweiten Weyr.« In ihrem Eifer, ihren Standpunkt darzulegen, vergaß Torene, daß ihre Suppe kalt wurde. »In gewisser Hinsicht ist er sogar noch besser als dieser hier, denn es handelt sich um einen Doppelkrater.
Einer ist beinahe kreisrund, der andere oval; es gibt dort einen tiefen See und Platz genug, um Tierherden zu
halten. Dann brauchen wir nicht ständig nach Süden zu fliegen, um unsere Fleischvorräte zu ergänzen. Doch das Schönste ist eine riesige Kaverne, in der ein halbes Dutzend Königinnen brüten könnte …«
»Jeweils eine brütende Königin reicht völlig.«
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Die Ermahnung an die vergangene Tragödie setzte
Torenes Enthusiasmus einen Dämpfer auf. Doch dann
ging ihr quecksilbriges Temperament abermals mit ihr durch. »Wir brauchten nicht einmal großartige Veränderungen vorzunehmen, denn der Boden ist bereits mit einer dünnen Sandschicht bedeckt, und in einer der Seitennischen ließe sich ein Heizungssystem installieren. Im übrigen meint meine Mutter, daß die Steinschneider demnächst ausgedient haben werden. Wenn wir sie nicht bald zum Einsatz bringen, können wir beim Einrichten eines neuen Weyrs mit Hammer und Meißel
vorgehen.« Torene nickte energisch, um zu unterstreichen, wie sehr sie diese Möglichkeit verabscheute.
»Diese Steinschneider wurden schon über Gebühr
beansprucht. Für diese Art von Leistung waren sie gar nicht konzipiert«, erwiderte Sorka. Sie dachte daran, daß ihr Vater sich ähnlich geäußert hatte, als er die Geräte vor neun Jahren bei der Erweiterung von Burg Ruatha eingesetzt hatte.
»Ich brauche die Steinschneider, um unseren Weyr
auszubauen …«
»Unseren Weyr?« Fragend hob Sorka die Augenbrauen.
Torene schloß die Augen, sog zischend die Luft ein
und hielt sich die Hände vors Gesicht. Als sie die Hände wieder herunternahm, blinzelte sie Sorka schelmisch an.
»Man darf doch wohl noch träumen, oder? Jemand muß
ja Weyrherrin sein, und du selbst sagst, daß Alaranth bis jetzt der größte goldene Drache ist.«
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»Hast du auch schon eine Vorstellung davon, wer der neue Weyrführer sein soll?« erkundigte sich Sorka
freundlich.
Torene errötete bis unter die Haarwurzeln. Manchmal hatte sie das unbehagliche Gefühl, daß es sich
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