Ankunft
für
Alaranth nicht ziemte, in der Schulter eine ganze
Handbreit höher zu sein als ihre Mutter, Faranth, obwohl Sorka von dieser Vervollkommnung entzückt zu
sein schien. Bald würde die junge Königin die Reife für ihren ersten Paarungsflug erlangen. Doch Torene spielte ihre eigene körperliche Attraktivität herunter, wann immer jemand ihr diesbezüglich ein Kompliment machte, und sie bevorzugte keinen der jungen männlichen Reiter, die ständig um sie herumschwarwenzelten.
Die einzige Ausnahme stellte Michael dar, Bronzereiter und Sorkas und Seans Sohn. Er hingegen schien sich nicht für Torene zu interessieren, obschon er jeder anderen hübschen Frau den Hof machte. Nun ja, vielleicht war sie einfach nicht sein Typ. Gegen seine Gesellschaft hätte sie nichts einzuwenden gehabt –hätte sich möglicherweise sogar über seine Aufmerksamkeit gefreut –, doch sie war viel zu vernünftig, um sich viel aus seiner Gleichgültigkeit zu machen. Sie empfand höchstens ein bißchen Verblüffung und leises Bedauern.
Mihall, wie er allgemein gerufen wurde, war ein
ebenso engagierter Drachenreiter wie sein Vater; gelegentlich übertraf er ihn sogar an Eifer. Seit Mihalls Bronzedrache Brianth drei Jahre zuvor die Geschlechts-reife erlangte, hatte er so viele Gelege befruchtet, daß 226
Sean den liebeshungrigen Drachen vom Paarungsflug
der Königinnen ausschloß.
Eine von Sorkas Pflichten bestand darin, exakte
Stammbäume der Gelege zu führen, damit man sofort
wußte, welcher bronzefarbene oder braune Drache der Samenspender war, um Inzucht zu vermeiden. Keine
der jungen Königinnen sollte sich später mit ihrem Erzeuger paaren. Die Entscheidung seines Vaters hatte Mihall mit einem lässigen Achselzucken quittiert. Er meinte, es gäbe genug grüne Drachen, die nur darauf warteten, von Brianth begattet zu werden.
»Du willst wissen, wer der Weyrführer sein soll?«
wiederholte Torene und konzentrierte sich erneut auf das Gespräch. »So weit plane ich nicht, Sorka, denn eine derart wichtige Entscheidung würde Sean bestimmt selbst treffen wollen.«
»Mag sein«, entgegnete Sorka diplomatisch. Sie
wußte, daß Sean bereits schwante, auf welche Weise ein künftiger Weyrführer gewählt werden sollte. »Aber du hast doch sicher eine Ahnung, welcher Drache der perfekte Partner für Alaranth wäre.«
Torene errötete leicht, doch die Antwort kam prompt.
»Alles hängt doch wohl davon ab, wer schnell genug ist, um Alaranth einzufangen, oder?« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie versuchte, Sorkas diskreter Frage auszuweichen. Torene war nicht eingebildet, wenn sie behauptete, daß die größeren männlichen Drachen ausgezeichnete Flieger sein müßten, wenn sie Alaranth einholen wollten.
227
Die junge Königin würde ihre hitzigen Bewerber auf
eine lange und schwindelerregende Verfolgungsjagd
mitnehmen. Torene kicherte belustigt. »Hoffentlich ver-sagen mir nicht die Kräfte. Und versuch gar nicht erst, herauszufinden, wen ich bevorzuge. Du würdest dich sehr wundern.« Ihr lebhafter Gesichtsausdruck wurde ernst. »Bitte glaub mir, Sorka, wir Drachenreiter müssen uns sputen, wenn wir diesen Doppelkrater für uns gewinnen wollen.«
»Ich stimme dir zu, Torene, aber diese Krater können nur auf dem Luftweg erreicht werden, und daraus entstehen möglicherweise Probleme.«
»Ach …« Triumphierend reckte Torene einen Finger
in die Höhe. »Ich weiß, wo man einen Zugangstunnel
graben kann.« Aus einer Hosentasche zog sie einen
schlaffen, abgenutzten Piasfilm. Es handelte sich um eine Sonarvermessung des Doppelkraters, vermutlich
hergestellt von einer der ersten Erkundungssonden.
Sorka war gar nicht auf den Gedanken gekommen, daß
es noch irgendwo Kopien dieser ursprünglichen Protokolle geben könnte. Nun fiel ihr ein, daß die
Ostrovskijs, Torenes Eltern, Bergbauingenieure waren und sich höchstwahrscheinlich im Besitz der allerersten Sonarkarten befanden.
Behutsam breitete Torene das Blatt auf dem Tisch
aus. Beinahe andächtig glättete sie es mit den
Fingerspitzen und beschwerte die sich hochbiegenden Ecken mit Pfeffer-und Salzmühlen. »Schau, hier gibt es einen natürlichen Durchlaß. Siehst du diesen Schatten dort? Der Gang nimmt zwei Drittel der Strecke ein, die 228
zum See führt. Na schön, die Decke in der Zentralhöhle ist nur zwei bis drei Meter hoch, aber durch relativ kurze Tunnelabschnitte ist sie von allen Seiten bequem zu erreichen. Da hast du deinen Landweg zum
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