Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
er nur noch halluzinierte. Doch er wusste einen Ausweg.
Das Gelübde, das er nun ablegen würde, brächte ihm die nötige Zeit. Es war ein umstrittenes Ritual unter den Magiern. Es wurde eigentlich nur für Ausgestoßene und Verurteilte verwandt, die einen letzten schweren Dienst für die Magiergilde erfüllen mussten, um wenigstens ihren Namen reinzuwaschen. Ironischerweise war er genau so ein gefallener Magier mit dem einzigen Unterschied, dass er selbst sein Richter und sein Vollstrecker war.
Ein trotziges Lächeln suchte sich den Weg auf seine durch die Anstrengungen der letzten Zeit verzerrten Lippen. Ankläger war er oft gewesen, doch Richter oder Henker waren immer die anderen.
Das Ritual wurde als die grüne Patenschaft bezeichnet, in bösem Scherz hieß es auch der grüne Schatten. Der Betroffene bot dem Myriton, dem Allquell jeglicher Energie und jeglichen Lebens, die Zukunft seiner Seele an. Diese ginge nach den Erkenntnissen der Magier eigentlich nur auf eine unbestimmte Wanderschaft, die sie vielleicht wieder auf diese Daseinsebene vielleicht aber auch auf ein der zahllosen Parallelwelten führte.
Nahm das Myriton die Seele jedoch an, so ging sie im Moment des Todes in den nächsten natürlichen Organismus über, der in der Nähe war. Das konnte ein Baum, ein Stück Moos, ein Wurm oder im besten Falle ein größeres Tier sein. Es gab Gerüchte über Neugeborene und Sterbende, die so besessen wurden.
Dieser neubeseelte Organismus hatte dann die Aufgabe, seinen Standort oder sein Revier gegen jeden widernatürlichen Einfluss nach seinen Möglichkeiten zu schützen. Wenn man ein Käfer wurde, konnte das eine ziemlich langwierige Angelegenheit werden.
Man hatte allerdings auch schon davon gehört, dass den Neubeseelten andere Aufgaben zukamen.
Soweit die Magier die grüne Patenschaft schon erforscht hatten, war das eigentlich Fatale daran, dass es nicht unwahrscheinlich war, dass man sogar einen Teil seines Bewusstseins behielt und im schlimmsten Fall als Flechte auf einem Stein versauerte.
Im Gegenzug gestand einem das Myriton immerhin zu, dass man eine bestimmte Aufgabe, eine letzte Queste erfüllen konnte. Das konnte sogar soweit gehen, dass man übermenschliche Kräfte oder geschärfte Sinne erhielt oder einfach nur den unabänderlichen Willen hatte, sein Ziel zu erreichen. In jedem Fall erhielt einen die grüne Patenschaft bis zur Beendigung der Queste am Leben, sofern man nicht auf gewaltsame Weise zu Tode kam. Wich man zu sehr vom Weg der Queste ab, starb man binnen weniger Tage.
Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, wie viel Leben man dem Myriton überhaupt noch bot. War man lebensgefährlich verletzt oder so wie Theodus vergiftet, so kam es auf den Lebenswandel an. Hatte man der Natur in irgendeiner Weise geschadet, konnte es passieren, dass man für das Ritual nicht angenommen wurde. War das der Fall, starb man bei dem Ritual oder verlor den Verstand.
Ächzend stand der Todgeweihte auf und stellte sich in die Mitte des Sterns aus Kreide. Entweder er konnte einem Freund und sich selbst den letzten Dienst erweisen oder er würde brabbelnd und sterbend auf einem Kreidestern liegen.
Theodus straffte den Rücken. Seine Hände hingen entspannt an der Seite herab. Für einen Moment herrschte absolute Stille. Der Wind schwieg und sogar der Regen hatte für einen Augenblick aufgehört, auf die Ziegel zu klopfen. Der Magier schloss die Lider.
In diese Stille hinein nahm ein leises Summen stetig zu. Die Stimmbänder des Magiers formten den Klang weiter aus, bis ein melodisches Summen mehr und mehr Gestalt annahm. Sein ausgemergelter, geschundener Körper begann langsam, hin und her zu schwanken.
Die Strähnen seines verschmutzten Haares baumelten ziellos umher. Seine sehnigen, adrigen Hände hatten mit Gassendreck geschwärzte Nägel. Sie hoben sich langsam und begannen in einem unbekannten Rhythmus in Wellen vor der Brust zu tanzen. Seine Augenbrauen und seine Mundwinkel schlossen sich dem Rhythmus an, wobei ein sonderbares Lächeln entstand.
Das Summen wurde nach und nach zu einem Singsang, der für einen alten Mann ungewöhnlich hoch klang. Seine Bewegungen breiteten sich von den Händen und dem Gesicht weiter und weiter über den Körper aus und erfassten ihn. Schließlich hob der Magier die Beine zu dem inneren Takt und der leise Singsang wuchs sich zum Gesang aus. Einzelnen Stellen der Kreidestriche begannen grün zu glimmen und verblassten dann wieder.
Der Rhythmus steigerte sich und
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