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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Ungleichheit sollte durch fallende Gewichte und ähnliche ingeniöse Mittel aufrecht erhalten werden.«
    Er lächelte. »Sie und ich, Signor Maurer, wissen natürlich, daß die Idee auf einem jämmerlichen Trugschluß aufgebaut war. Die elementare Dynamik sagt uns schon, daß sich, selbst wenn wir eine völlige Abwesenheit von Reibung annehmen, das Rad nicht von selbst bewegen wird. Wenn wir nur die Arbeit, die das Rad verrichtet, der Arbeit gleichsetzen, die benötigt wird, um es zu drehen, so muß es schon stehen bleiben. Eine sich dauernd bewegende Maschine müßte natürlich Energie in Form von Bewegung schaffen . Sehen Sie das ein?«
    »Durchaus.«
    Fast unmerklich war er ins Dozieren geraten. Er sprach langsam und deutlich. Aus seiner Stimme klang Autorität. Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück, und seine Augen fixierten einen Punkt über meinem Kopf. Hinter ihm konnte ich seine Tochter sehen. Sie nähte nicht mehr. Ihr Gesicht war leichenblaß, und sie starrte auf den Tisch. Ein Streichholz flammte auf, als Zaleshoff eine Zigarette anzündete. Der Professor räusperte sich.
    Er strich langsam über sein Kinn, als er fortfuhr.
    »Indessen, Signor Maurer, fand ich unter diesen Zeugnissen menschlicher Dummheit etwas, was mich faszinierte. Ein Stück festen Grund im Morast. Anfang des 18. Jahrhunderts konstruierte ein Schweizer, der sich Orffyreus nannte, ein Perpetuum mobile. Sein wahrer Name war Johann Ernst Elias Bessler. Das Rad, das er baute, hatte fast vier Meter Durchmesser und war an einer sichtbaren Achse montiert. Das Innere des Rads indessen war unter einem Stoff verborgen, der straff über das hölzerne Rahmenwerk gespannt war, aus dem das Rad bestand. Daran ist nichts Besonderes. Ein bißchen Geheimnistuerei wird den Gläubigen immer überzeugen. Aber in einem wichtigen Punkt unterschied sich das Orffyreusrad von anderen. Es funktionierte. Es wurde von Besslers Auftraggeber, dem Landgrafen von Hessen-Kassel, in einem Raum seines Schlosses Weissenstein geprüft. Der Landgraf konnte sich überzeugen, daß das Rad von irgendeiner äußeren Energiequelle unabhängig war, und es wurde mit der Hand in Bewegung gesetzt. Das Zimmer, in dem es stand, wurde versiegelt. Acht Wochen später wurde der Raum geöffnet, und das Rad drehte sich immer noch.«
    »Durch Elektrizität oder ein Räderwerk«, bemerkte ich dazu.
    Er lächelte und schüttelte den Kopf. »So einfach ist das nicht, Signor Maurer. Das waren natürlich auch die ersten Erklärungen, die mir einfielen. Aber ich habe festgestellt, daß im frühen 18. Jahrhundert keine elektrische Kraftquelle bekannt war, die dieser Aufgabe gewachsen gewesen wäre, und sogar, wenn es Bessler gelungen wäre, einen primitiven elektrischen Motor zu konstruieren, so hätte er auch eine elektrische Batterie herstellen müssen, die imstande gewesen wäre, während acht Wochen dauernd elektrische Energie abzugeben. Das ist nicht möglich. Was das Räderwerk anbelangt, so habe ich experimentell herausgefunden, daß es bei einer Fallhöhe von vier Metern sogar mit den schwersten Gewichten und sorgsam ausgearbeitetem Getriebe praktisch unmöglich ist, ein Rad von dieser Größe mehr als ein paar Sekunden zu drehen. Federn kommen nicht in Frage. Es gibt nur die Möglichkeit eines Betrugs. Der Landgraf mag kein sehr zuverlässiger Zeuge gewesen sein.«
    »Das ist anzunehmen.«
    »Zum Glück besitzen wir zusätzliche Beweise, die mehr Gewicht haben. Der Mathematiker Gravesande hatte Gelegenheit, das Rad zu besichtigen. Er fand kein Anzeichen vom Schwindel, aber leider hat Bessler ihm nicht gestattet, das Innere des Rades zu untersuchen. Gravesande scheint sehr darauf gedrungen zu haben, einen Blick ins Radinnere zu werfen, denn Bessler hat sich schließlich über seine Neugier geärgert. Zweifellos verdächtigte er auch Gravesande eines mehr als wissenschaftlichen Interesses. Jedenfalls vernichtete er das Rad. Die Trümmer, die später im Zimmer des Landgrafen gefunden wurden, warfen auch kein weiteres Licht auf das Problem.
    Ich habe über die Sache ziemlich viel nachgedacht. Entweder war Bessler ein Schwindler von mehr als gewöhnlichem Scharfsinn, oder es war ein Wunder geschehen. Obgleich ich nicht den geringsten Beweis für den Schluß hatte, vermutete ich, daß die erste Möglichkeit zutraf. Aber die Sache ging mir nicht aus dem Sinn. Sie müssen bedenken, daß ich einen Beweis für das angeblich Unmögliche suchte. Ich suchte nach Verrücktheiten. Dann wurde meine

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