Anlass
gesagt hatte. Er machte sich ein paar Notizen. Endlich stand er auf.
»Es sieht ganz so aus, als ob Ihre Informationen präzise und wertvoll seien. Ich muß Ihnen aber doch sagen, daß diese Transaktion unsere letzte sein muß. Ich könnte meine Vorgesetzten nicht davon überzeugen, Ihnen weiter Ihr Gehalt zu zahlen, jetzt, da Sie bei den Italienern nicht mehr persona grata sind. Sie verstehen doch?«
»O ja, General.« Ich zögerte und blickte ihn verstohlen an. »Bezüglich der Angelegenheit, die wir an dem Abend im Auto besprachen, möchte ich gern Ihre Zusicherung haben, daß die Informationen, die meine Firma betrafen, nicht in irgendeiner sie schädigenden Weise benützt werden.«
Einen Augenblick blitzte es amüsiert in seinen Augen auf, doch dann versicherte er mir feierlich, daß ich diesbezüglich nichts zu befürchten hätte.
»Darf ich Sie für heute abend zum Essen einladen, Marlow?«
»Ich würde gern annehmen, General, aber ich reise morgen früh nach London und muß noch ein paar Briefe schreiben. Sie werden mich sicher entschuldigen.«
Es war eine recht schwache Entschuldigung, aber er nickte. Offensichtlich hatte er nicht erwartet, daß ich annehmen würde.
»Schade. Dann bon voyage , Marlow, ich danke Ihnen.« Er streckte mir die Hand hin. »Meine Frau wird bedauern, daß sie Sie versäumt hat.«
Diese Bemerkung versetzte mir einen Schlag. War es möglich, daß der Mann nichts vom Tod seiner Frau wußte? Dann wurde mir klar, daß diese Bemerkung eine Falle war. Ich hatte gesagt, daß ich keine italienischen Zeitungen gelesen hätte. Ich durfte also nicht wissen, daß seine Frau tot war und daß sie sich umgebracht hatte. Er hielt meine Hand, und einen Augenblick fürchtete ich, daß er das unwillkürliche Zucken meiner Handmuskeln gespürt haben könnte. Deshalb hatte er natürlich meine Hand ergriffen, ehe er seine Frau erwähnte.
Es gelang mir, meiner Stimme einen gleichmütigen Tonfall zu geben. »Bitte empfehlen Sie mich Madame Vagas.«
Dann geschah etwas Seltsames. Ich hatte ihn bis zu diesem Moment noch nie im Tageslicht gesehen. Sein Make up war jetzt nicht so stark wie am Abend. Jetzt, da sich seine Wangen zum ersten echten Lächeln hoben, das ich auf seinem Gesicht gesehen hatte, bemerkte ich die Pockennarben unter der Schminke.
Das Lächeln war vorüber, aber wenn er sprach, klang in seiner Stimme ein Lachen mit, das Lachen eines Mannes, der sich über einen Scherz köstlich amüsiert.
»Ich werde mein Bestes tun, Ihre Empfehlungen an meine Frau auszurichten, Marlow«, sagte er mit Überlegung. »Ich werde es nicht vergessen, wenn ich sie wiedersehe. Arrivederci. «
Ich konnte die Türklinke nicht gleich finden. Mir war ein bißchen übel.
»Gute Nacht, General.«
Als sich die Tür hinter mir schloß, hörte ich ihn lachen.
Ich holte den Hut aus meinem Zimmer und ging hinunter, um bei Zaleshoff Bericht zu erstatten. Ich wußte nicht recht, ob ich mich nicht lächerlich gemacht hatte. Als ich dann bei der Portierloge stand, um meinen Schlüssel abzugeben, hörte ich etwas, was mich meinen Plan ändern ließ. Das Telefon stand dicht neben dem Pult des Portiers, und ich hörte, wie die Telefonistin zweimal ›Berlin‹, dann ›danke‹ sagte. Jemand im Hotel meldete ein Gespräch nach Berlin an.
Ich wandte mich an den Portier.
»Ist dieser Anruf aus Berlin vielleicht für mich?« fragte ich auf italienisch.
»Welcher Name, Signore?«
»Marlow.«
Er drehte sich um und sagte etwas auf deutsch zur Telefonistin. Ich konnte ihre Antwort nicht verstehen, aber zwei Dinge verstand ich. Eines war ihr ungeduldiges Kopfschütteln, das andere der Name ›Herr Vagas‹. Das genügte mir.
»Nein, Signore«, sagte der Beamte, »er ist nicht für Sie.«
Am nächsten Morgen sagten mir Zaleshoff und Tamara am Zug nach Paris Lebewohl.
Wir standen auf dem Bahnsteig und hatten noch etwa zwei Minuten Zeit, als ich mich an etwas erinnerte, was ich ihn hatte fragen wollen.
»Zaleshoff, Sie sagten neulich, Sie würden sich mehr über das Sorgen machen, was die Zeitungen nicht brächten. Was meinten Sie damit?«
Es war Tamara, die die Antwort gab. »Er fürchtete, daß sie mich verhaftet haben könnten. Er hat immer Angst um mich.«
»Ach so.« Ich zögerte. »Hören Sie, ich bin etwas pedantisch veranlagt. Wollen Sie mir nicht sagen, was Sie eigentlich mit Ihrer sonderbaren Kartothek gemacht haben? Sie haben sie doch sicher nicht der Polizei hinterlassen, und ich kann mir nicht
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