Anlass
Pelcher zu bitten, das Foreign Office in London in die Sache einzuschalten. Im nächsten Augenblick stolperte ich über meine Schuhbänder.
Ich beugte mich beim Gitter nieder, um den Schuh zu binden. Dabei sah ich mit einem Seitenblick, daß sich etwa zwanzig Meter hinter mir etwas bewegte.
Hätte ich mich nicht zum Gitter gestellt, um mich dagegen zu lehnen, während ich den Schuh band, so hätte ich ihn nicht gesehen. Unter den Bäumen war es sehr dunkel. Aber das Geländer führte in gerader Linie etwa 100 Meter zurück auf einen Durchgang zu, über dem eine Laterne angebracht war, und so konnte ich von meinem Standort aus eine schwache Silhouette, Kopf und Schultern sehen.
Ich schenkte ihm zuerst keine Aufmerksamkeit und band meinen Schuh. Dann schielte ich wieder zurück. Der Mann hatte sich nicht bewegt. Ich zuckte innerlich zusammen und ging weiter. Ein, zwei Sekunden später hörte ich hinter mir ein leises Klicken. Der Ton war mir bekannt. Ein paar Meter vorher war ich auf ein loses Kanalgitter getreten, und nun war dem Mann hinter mir dasselbe passiert. Ich blieb wieder stehen, warum weiß ich nicht. Vielleicht hatte ich den Verdacht, der Mann hinter mir sei ein Straßendieb. Es war jedenfalls sonderbar, daß er sich nicht rührte, während ich meinen Schuh gebunden hatte. Ich ging nochmals zum Geländer und tat so, als wollte ich den Knoten in Ordnung bringen. Ich konnte ihn nicht mehr sehen, und es waren keine Schritte mehr zu hören, nur der ferne Verkehrslärm vom Corso Venezia. Er mußte aber noch da sein. Ich ging schnell weiter und verließ auf dem kürzesten Weg den Park.
Jetzt, wo es hell war, konnte ich ihn sehen: eine kleine, kräftige Gestalt in einem Mantel, mit einem hohen weichen Hut. Er war etwas zurückgeblieben und schlenderte weiter, die Hände in den Taschen, den Kragen hochgeschlagen. Der Hut kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich sah mich nicht noch einmal um. Es war kein Zweifel möglich. Ich wurde verfolgt. Auf Raub konnte er nicht aus sein. Dazu war die Gelegenheit vorbei. Der Mann konnte ein Zuhälter sein, der mich als Ausländer erkannt hatte und gute Geschäfte witterte. Aber das war unwahrscheinlich. Zuhälter waren nicht so hartnäckig wie dieser Mann. Er hätte mich schon früher angesprochen.
Ich verließ die Hauptstraße und ging rasch durch ein paar Nebengassen zur Via Alessandro Manzoni. Dann sah ich mich wieder um. Er war noch da, eine dunkle Gestalt im Schatten der Hausmauer.
Nun beschloß ich zu handeln. Ich ging schnell weiter, bis ich zu einer ziemlich ruhigen Seitenstraße kam. An der Ecke zögerte ich, als ob ich mich nicht gut auskennte, und bog in die Seitengasse ein. Ein paar Meter weiter stellte ich mich in einen dunklen Geschäftseingang. Ein oder zwei Sekunden später hörte ich die Schritte des Mannes näherkommen. Er war fast auf gleicher Höhe mit dem Geschäft, als ich hervortrat und mich mitten auf den Gehsteig stellte. Mir gegenüber stand mit einem Gesicht, als hätte er für eine Fluchtmöglichkeit sein Leben gegeben, Bellinetti.
Er versuchte sofort, sich elegant aus der Sache zu ziehen.
»Ich glaubte, Sie zu erkennen, Signore. Aber ich war nicht sicher. Ich war allein, ich dachte, wir könnten miteinander einen Cognac trinken.«
»Mit Vergnügen.« Wir gingen den Weg zurück zur Hauptstraße. »Gehen Sie oft abends im Park spazieren, Bellinetti?«
»An schönen Abenden ja. Sie gehen sehr rasch, Signore.«
Sein Ton war fast frech. Er hatte seine Fassung wiedergewonnen.
»Dann rate ich Ihnen, Bellinetti, nicht mit mir Schritt zu halten. Wer weiß, was einem Menschen von Ihrer Konstitution zustoßen könnte.«
»Meiner Konstitution, Signore?«
»Sie könnten einmal einen ernstlichen Unfall haben«, sagte ich kalt.
Er runzelte die Stirn. »Ich bin immer sehr vorsichtig, Signore.«
»Es freut mich, das zu hören.« Wir kamen eben an einem Caffè vorbei. »Wollen wir etwas trinken?«
Zehn Minuten später kehrte ich zum Hotel zurück. Ich war entschlossen, diesen Signor Bellinetti so bald wie möglich loszuwerden. Es war schlimm genug, einen unfähigen Assistenten zu haben, aber ein unfähiger Assistent, der seine freie Zeit damit verbrachte, einem nachzuspionieren, war unerträglich.
Als ich ins Hotel zurückkam, fand ich zwei Briefe vor.
Einer war von meiner Bank in London und betraf Erleichterungen für meinen Zahlungsverkehr in Mailand. Er war bis auf eine Kleinigkeit unwichtig. Der Brief kam aus England und war nicht mit Dampf
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