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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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mich bei meiner Rückkehr im Hotel Parigi erwartete.

    P.S. – Weißt Du, Nicky, ich glaube, Du mußt auf das Stubenmädchen oder wer immer Zutritt zu Deinem Zimmer hat, achten. Du erinnerst Dich vielleicht, daß Du mich batest, Dir jede Woche den ENGINEER zu schicken (was schon geschehen ist), und daß Du dies auf die Rückseite des Kuverts schriebst. Nun, Lieber, nach der Ansicht Deiner kleinen Miss Sherlock Holmes hat man den Brief danach über Dampf geöffnet, wodurch eine leichte Verschiebung in der Schrift entstand. Du weißt ja, daß Du alle Wörter aneinanderhängst, und als ich das Kuvert genau untersuchte, entdeckte ich einen dünnen Gummistreifen, der einen halben Millimeter außerhalb des Zungenrandes verlief Mir scheint, daß Deine gelegentlichen Bemerkungen über wissenschaftliche Methoden mich doch beeinflußt haben, denn ich machte mich sofort auf den Weg und kaufte fünf verschiedene Sorten Briefumschläge, um damit zu experimentieren. Zuerst klebte ich sie zu, und öffnete sie nach zwei Stunden wieder über Dampf. Dann klebte ich sie sofort wieder zu und verglich am folgenden Morgen die Resultate mit Deinem Umschlag. Alle Versuchsumschläge wiesen einen Gummistreifen auf, was (beachte meinen wissenschaftlichen Geist am Werk) zum Teil daher stammen mag, daß die Papierzunge sich durch die Dampfbehandlung zusammengezogen hatte, zum Teil auch auf die Oberflächenspannung des Gummis in feuchtem Zustand zurückgeführt werden könnte. Es ist mir klar, daß damit nichts bewiesen ist und daß ich erst nach einer Testserie von mindestens 500 Umschlägen an die Öffentlichkeit treten dürfte. Da ich aber die Zeit nicht habe und diese langwierigen Dampfprozeduren meinen Dauerwellen schaden, teile ich meine Entdeckungen schon jetzt mit. Alles Liebe, Claire.

    Ich dachte genau nach. Das Stubenmädchen konnte es nicht gewesen sein. Sobald ich mit dem Schreiben fertig gewesen war, hatte ich den Brief in die Tasche des Anzugs gesteckt, den ich am nächsten Tag tragen wollte. Ich hatte ihn in den Hotelbriefkasten geworfen, als ich am nächsten Tag fortging.
    Dann durchfuhr mich ein unangenehmer Gedanke. Ich drehte Claires Briefkuvert um. Da war er, unübersehbar, der beschriebene Gummistreifen. Es gab keinen Zweifel mehr. Meine Korrespondenz wurde gelesen. Die Frage war nur, von wem.
    Es konnte natürlich einer der Hotelangestellten sein, aber gegen diese Möglichkeit sprach etwas. Der Hotelbriefkasten wurde vom Postboten geöffnet und geleert. Das hatte ich gesehen. Wahrscheinlich konnte niemand von den Hotelangestellten an den Inhalt des Kastens heran. Er befand sich außerdem für jedermann sichtbar in der Hotelhalle. Sehr seltsam!
    Ich badete, kleidete mich um, frühstückte und ging ins Büro. Bellinetti empfing mich mit einer Flut von Worten. Alles hatte sich wunderbar geregelt, während der Signore fort gewesen war. Umberto lächelte schüchtern. Serafina war nicht da. Ich ging in mein Büro.
    »Wer hat heute früh die Post geöffnet, Bellinetti?«
    »Ich, Signore, wie Sie es befohlen haben.«
    »Gut. Ich möchte die Kuverts sehen, in denen die Briefe ankamen.«
    »Die Kuverts, Signore?« Er lächelte nachsichtig. »Sie meinen die Briefe?«
    »Nein, ich meine die Kuverts.«
    Mit hochgezogenen Augenbrauen, die fast seine Haare berührten, suchte er die Kuverts hervor. Ich sah sie eins nach dem andern durch. Bei jedem war der Gummistreifen unübersehbar. Ich warf die Kuverts wieder in den Papierkorb. Er beobachtete mich mit verwundertem Schweigen.
    »Können Sie sich erklären, wer Grund oder Gelegenheit hat, unsere Korrespondenz zu öffnen und zu lesen, Bellinetti?«
    Er zuckte mit den Wimpern. Dann wurde sein Gesicht ausdruckslos. »Nein, Signore.«
    »Haben Sie keine Ahnung?«
    »Nein, Signore.«
    »Wußten Sie, daß es geschieht?«
    »Nein, Signore.«
    Ich gab es auf. Die Nachricht war offenbar keine Überraschung für ihn. Und es war ebenso deutlich, daß er nicht darüber sprechen wollte. Grimmig setzte ich mich an meine Arbeit.
    Nach dem Lunch ging ich zur Amministrazione.
    Diesmal ließ man mich nur fünf Minuten warten. Dann wurde ich in das Büro des Signor Capitano geführt.
    Er nickte kurz.
    »Ja, Ihre Identitätskarte ist fertig.« Er händigte sie mir aus. »Ich muß Sie nochmals daran erinnern, daß sie jede Woche hier zur Abstempelung vorgelegt werden muß.«
    »Ich muß ziemlich viel geschäftlich im Lande herumreisen. Es ist möglich, daß ich nicht jede Woche in Mailand bin.«
    »In

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