Anlass
warf dem Schwan Kußhände zu. Der Kapellmeister verbeugte sich. Der Vorhang fiel. Der Applaus erstarb in einem Summen von Stimmen, als das Licht wieder aufstrahlte.
Der General seufzte und klemmte sein Monokel wieder ins Auge.
»Es gibt nur einen Fokine«, sagte er. »Hat es Ihnen gefallen, Signor Marlow?«
»Sehr.«
»Das Beste kommt noch. Wollen wir rauchen? Kommst du mit, Elsa, mein Liebling?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, die Contessa Perugia ist auf dem Weg herüber.«
»Bitte entschuldige mich bei ihr. Wir können draußen rauchen, Mr. Marlow.«
Wir bahnten uns einen Weg zur Haupttreppe. Die Oper war gesteckt voll. Ich hörte Deutsch, Französisch und Spanisch rings um mich. Ich sah Hindus, Chinesen, zwei Japaner und einen graugesichtigen Mann mit einem Fes.
»Sehen Sie, Mr. Marlow«, sagte der General, »in der Scala kennt Ballett keine Grenzen.« Er sagte noch etwas und bot mir Feuer für meine Zigarette an, aber ich beachtete ihn nicht. Durch die Menge bahnten sich ein Mann und eine Frau ihren Weg auf uns zu. Die Frau war jung, fast noch ein Mädchen und sehr schön. Es war eine seltsame, fast männliche Schönheit. Ihre Backenknochen waren hoch und strafften die Fülle der Wangen von den Lippen aufwärts, was ihr einen merkwürdig unbeweglichen Ausdruck gab. Ihr Haar schimmerte in einem sehr dunklen Braun. Ihre Hände waren wunderbar. Aber es war nicht so sehr sie, die meine Aufmerksamkeit auf sich zog, als der Mann, der neben ihr ging, seine Hand an ihrem Ellbogen, und der in seinem Abendanzug mehr denn je wie ein Boxkämpfer aussah. Es war Zaleshoff.
Wir erkannten einander im selben Augenblick. Unsere Augen trafen sich. Ich war auf einen Gruß vorbereitet, aber er sah ohne einen Schimmer des Erkennens durch mich hindurch. In einer Sekunde war er vorüber. Ich riß mich schnell zusammen.
»Verzeihung, General.«
Er lächelte und setzte ein zweites Zündholz für mich in Brand.
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Mr. Marlow. Sie ist für hier sehr reizvoll.«
»Für hier?«
»Ein gewöhnlicher slawischer Typ, Mr. Marlow. In Belgrad haben Sie eine ganze Auswahl. Der Herr ist ihr Bruder. Kennen Sie die beiden noch nicht?«
»Nein.«
Er nahm meinen Arm. »Der Mann heißt Zaleshoff. Andreas Prokowitsch Zaleshoff. Sie heißt Tamara Prokowna. Russen natürlich; aber sie sind, glaube ich, beide in Amerika aufgewachsen. Ich fürchte«, fügte er ernst hinzu, »ich kann Ihnen nicht raten, sich weiter für die Dame zu interessieren. Der Mann ist Agent der Sowjet-Regierung, und seine Schwester ist wahrscheinlich ebenfalls Agentin.«
Es gelang mir zu lächeln.
»Eine sensationelle Enthüllung, General. Ich kann Ihnen jedoch versichern, daß ich nicht die geringste Absicht habe, ihr nachzusteigen. Ich habe nämlich eine Verlobte in England.« Die Worte klangen schrecklich aufgeblasen und unecht, er aber nickte befriedigt.
»Als Ausländer muß man in Italien vorsichtig sein«, sagte er. »Entschuldigen Sie.«
Zu meiner Erleichterung wandte er sich ab, um mit einigen Vorübergehenden zu sprechen. So hatte ich Zeit, mich zu sammeln. Entweder machte Vagas einen ungeschickten Versuch, mir zu imponieren, oder ich bewegte mich in tieferen Wassern, als ich gedacht hatte. Was hatte doch Zaleshoff gesagt? »Zum Glück habe ich andere Verbindungen.« Aber es war lächerlich. Jedenfalls wünschte ich ernstlich, daß ich nicht gekommen wäre. Ich überlegte schnell, was für Entschuldigungen ich vorbringen könnte, um mich bei ihm in der nächsten Pause zu verabschieden. Ich könnte vielleicht Krankheit oder eine geschäftliche Verabredung vorschützen. Ich könnte …
Vagas berührte meinen Arm.
»Ich möchte Sie mit Signora Bernabò bekanntmachen, Mr. Marlow.« Er wandte sich der dicken Dame mit schriller Stimme zu, die neben ihm stand. »Le voglio presentare il signor Marlow, Signora.«
»Fortunatissimo, Signora.«
»Fortunatissima, Signore.«
»E Commendatore Bernabò.« Er deutete auf einen Herrn mit Schnurrbart, der die Insignien des Ordine della Corona d’Italia trug.
»Fortunatissimo, Commendatore.«
Großes Händeschütteln. Das Ballett wurde besprochen. Signora Bernabò, die etwas abseits stand, rang nach Atem.
»Ich komme nur wegen der Abendroben«, erklärte sie nach einer Weile.
Der Commendatore lachte herzlich und zwirbelte seinen Schnurrbart. Zu meiner Überraschung lachte Vagas auch. Später, als wir zu unserer Loge zurückgingen, erfuhr ich warum.
»Die Frau«,
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