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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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ihre Arbeit tun wie andere Leute auch. Die Tatsache, daß ich zwei von ihnen in einer italienischen Industriestadt getroffen hatte, war eigentlich nicht besonders überraschend und hatte sicher nichts Melodramatisches an sich. Es gab keine Geheimtreffen, keine dunklen Drittmächte, die beteiligten Länder waren nicht namenlos, und Fernings Notizen konnte man schwerlich als Geheimdokumente bezeichnen. Es war – zu meiner Überraschung brauchte ich Vagas’ Worte – eine einfache Geschäftstransaktion. Aber was hatte Zaleshoff damit zu tun? Das herauszufinden konnte ganz unterhaltend sein.
    Schaden konnte es nicht, und meine Neugier war nun einmal geweckt. Man traf schließlich nicht jeden Tag einen Spion. Ich mußte die Angelegenheit beim Schopf packen. Zaleshoff wußte offensichtlich, worauf Vagas aus war, und sein Benehmen in der Oper war nur dahin zu deuten, daß Vagas nichts von unserer Bekanntschaft erfahren sollte. Auch war ich auf Zaleshoffs Kartei neugierig. Es mußte interessant sein, ein wenig mehr über General Vagas zu erfahren. Die Sache würde auch Claire faszinieren. Ich konnte ihr dann alles schreiben. Zudem schuldete ich ja, genau genommen, Zaleshoff wegen dieser Paßgeschichte eine Seife. Diese Geschichte war allerdings weniger amüsant. Nun, wahrscheinlich gab es eine ganz banale Erklärung für Zaleshoffs › Prophezeiung‹ – ich setzte im Geist das Wort in Anführungszeichen.
    Als ich im Hotel ankam, war ich in der Stimmung, die ganze Geschichte auf die leichte Schulter zu nehmen. Ich fühlte mich geradezu als Weltmann, und es war nur gut, daß ich nicht ahnte, was für ein Idiot ich war und wie düster und dramatisch das Ganze bald werden sollte. Hätte ich etwas davon geahnt, so hätte ich nicht so gut geschlafen, wie ich es diese Nacht tat.
    Erst als ich mich ausgezogen hatte und meine Kleider in den Schrank hängte, erinnerte ich mich an Madame Vagas’ Zettel. Ich zog ihn aus der Westentasche und faltete ihn auseinander.

    Sechs Worte waren darauf gekritzelt.

    HA FATTO MORIREIL SIGNOR FERNING .

    Ich setzte mich aufs Bett und starrte verständnislos auf das Papier. ›Er hat Mr. Ferning getötet.‹ Wer denn? Vermutlich Vagas. Vagas hatte Ferning umgebracht. Das war ja absurd. Ferning war überfahren worden. Dies war offenbar ein Akt boshaften Unsinns. Man mußte kein besonders scharfer Beobachter sein, um zu bemerken, daß zwischen Vagas und seiner Frau nicht viel Liebe bestand. Und darüber konnte man sich kaum wundern. Nicht mit der größten Phantasie konnte man die beiden als besonders liebenswert bezeichnen. Aber das ging dann doch zu weit! Die Frau war offensichtlich nicht normal.
    Ich ging zu Bett. Claire, dachte ich noch, hätte zu Ricciardo einige ihrer köstlichen Einfälle gehabt.

7. Kapitel
    Gulasch bei Zaleshoff
    A
    m Donnerstagvormittag telefonierte ich zu Zaleshoff hinunter.
    Eine Frauenstimme antwortete auf italienisch.
    »Pronto.«
    »Il signor Zaleshoff?«
    »Un momento.«
    Einen Augenblick später kam Zaleshoff an den Apparat.
    »Qui Vittorio Saponi.«
    »Wirklich? Hier Marlow.«
    Man hörte einen Freudenschrei.
    »Hallo Marlow! Wie geht’s?«
    »Danke, ganz gut.«
    »Haben Sie sich gestern abend gut amüsiert?«
    »Sehr. Und Sie?«
    »Ich auch. Sie sind mir doch nicht böse, weil ich Sie gestern geschnitten habe?«
    »Aber warum denn? Hätten Sie heute abend Zeit, mit mir zu essen?«
    »Mit Vergnügen. Aber schauen Sie, warum kommen Sie nicht in unsere Wohnung und essen mit uns? Das Mädchen von gestern abend ist meine Schwester. Sie möchte Sie unbedingt kennenlernen.« Man hörte eine protestierende Stimme im Hintergrund. »Einen Augenblick.« Er hielt offenbar die Hand über die Muschel. Einen Augenblick herrschte Stille. Dann: »Pardon. Sie trägt mädchenhafte Schüchternheit zur Schau. Paßt es Ihnen heute abend?«
    »Sehr gut. Danke.«
    »Wann können Sie vom Büro weg?«
    »Nicht vor halb sieben.«
    »Kommen Sie bei meinem Büro vorbei, wenn Sie fertig sind, wir gehen dann zusammen. Okay?«
    »Mach ich.«
    Um halb sieben ging ich zum dritten Stock hinunter. Zaleshoff war allein in seinem Büro und hämmerte eifrig auf seiner Reiseschreibmaschine. Er winkte mir einen Gruß zu.
    »Kommen Sie herein und setzen Sie sich. Sie haben wohl nichts dagegen, wenn ich dies eben fertig mache?«
    Ich setzte mich. Einen Augenblick später zog er den Bogen aus der Maschine, adressierte das Kuvert, steckte das Papier hinein und verschloß den Brief. Ich sah ihm schweigend

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