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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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wie er brennend durch meine Kehle und in meinen Magen rann. Mit geschlossenen Augen lächelte ich ihn an. »Tut mir leid, Ihnen die Mühe zu machen.«
    »Halten Sie den Mund und trinken Sie noch was. Später können Sie reden.« Ich fühlte, wie er meine Beine untersuchte. »Tamara, hol etwas heißes Wasser von der portinaia . Dann nimm ein Taxi und bring Arnikatinktur vom Apotheker.«
    Sie ging. Ich trank noch etwas Cognac, und allmählich wurde mein Kopf klar. Ich öffnete die Augen. Zaleshoff sah mich mit hochgezogenen Brauen an.
    »Wie viele waren es?«
    »Vier.«
    »Würden Sie sie erkennen?«
    »Nein.« Ich erzählte ihm, was sich zugetragen hatte.
    Er sah erstaunt aus. »Ich verstehe das nicht.«
    Plötzlich beugte er sich vor, nahm einen Zettel aus der Seitentasche meines Mantels und hielt ihn mir hin.
    »Gehört das Ihnen? Es steckte in Ihrer Tasche.«
    »Was ist es?«
    Er entfaltete es, ein Blatt Papier, etwa 25 x 30cm, und warf einen Blick darauf. Dann hielt er es mir hin. Quer über das Blatt gekritzelt stand da ein einziger Satz auf italienisch: DAS N ä CHSTE MAL GEHT ES DIR AN DEN KRAGEN . Ich starrte darauf, und während ich das tat, fühlte ich, wie mein Hirn kälter und kälter wurde und eine rasende Wut in meiner Brust aufstieg.
    »Haben Sie Vagas heute gesehen?« fragte Zaleshoff.
    »Er hat gestern abend im Hotel auf mich gewartet, als ich nach Hause kam.«
    »Ist Ihnen jemand gefolgt?«
    »Ja.«
    »Dann haben sie Vagas weggehen sehen. Wahrscheinlich glauben sie …« Er unterbrach sich. »Warum ist er gekommen?«
    »Um sein Angebot zu erhöhen.«
    Er schlug sich mit der Faust in die Handfläche. »Sie müssen ihn von Berlin aus sehr unter Druck setzen. Wenn nur …«
    »Wenn nur was?«
    »Ach, lassen wir’s. Sie haben genug gehabt für heute. Erinnern Sie sich, was ich Ihnen über die Ovra sagte?«
    »Ja, ich erinnere mich.« Aber ich hörte nicht zu, was er sagte. Ich war mit meinen Gedanken beschäftigt. Ich faßte einen Entschluß.
    Das Mädchen kam mit heißem Wasser. Sie entkleideten mich gemeinsam und begannen die Schürfungen an meinen Armen und Beinen zu reinigen. Es schmerzte höllisch. Als es vorüber war, steckte er eine Zigarette zwischen meine angeschwollenen Lippen und zündete sie mir an.
    »Werden Sie in dieser Angelegenheit zur Polizei gehen?«
    »Das wäre nur verlorene Zeit, nicht wahr?«
    »Und Ihr Konsul?«
    »Er kann nicht mehr tun als die Behörden bemühen, und da ich die Männer nicht beschreiben kann, kann ich nicht gut von ihm erwarten, daß er etwas unternimmt.«
    »Vermutlich nicht.« Er sah mich durch den Rauch seiner Zigarette nachdenklich an. »Was wollen Sie also tun?«
    Mit zusammengepreßten Lippen sagte ich: »Das werden Sie gleich sehen. Geben Sie mir das Telefon, bitte.«
    Er warf mir einen raschen Blick zu, sagte aber nichts, sondern stellte das Telefon neben mich.
    »Jetzt geben Sie mir Vagas’ Nummer.«
    »Nord 45–65.« Es klang, als ob er mir die Uhrzeit angäbe.
    Ich wählte die Nummer und hatte gerade die Verbindung mit Vagas hergestellt, als Tamara zurückkehrte.
    »Hier ist Marlow, General … Danke, sehr gut. Ich habe den Commendatore heute vormittag besucht … reizend. Der Grund meines Anrufes ist aber ein anderer. Ich habe mir Ihren Vorschlag von neulich überlegt … Ja … ja, ich glaube. Natürlich müssen solche Dinge genau erwogen werden … Gewiß. Und ich bin der Meinung, das Geschäft könnte schriftlich, und zwar postlagernd, diskreter durchgeführt werden.«
    Als ich schließlich das Telefon niederlegte, starrten mich beide an, als ob ich verrückt geworden wäre – was ich auch tatsächlich war.
    »Ich bitte Sie, gleich jetzt zur Kenntnis zu nehmen, Zaleshoff«, sagte ich finster, »daß ich für dieses Geschäft kein Geld von Ihnen nehme. Ich lasse mich nur deshalb darauf ein, weil ich es persönlich für richtig halte. Und wenn Sie damit fertig sind, mich anzustarren, fangen Sie doch mit der Tinktur an. Nachher möchte ich etwas essen, wenn Ihre Schwester die Güte hätte …«
    »Ja, gewiß!« Zum zweiten Male sah ich Zaleshoff außer Fassung. Als er dann meine Beine mit Arnika betupfte, lachte er in sich hinein.
    »Tamara.«
    »Ja, Andreas?«
    »War Spartacus nicht der Sklave, der rebellierte?«

10. Kapitel
    Corrispondenza
    N.
    Marinetti an J. L. Venezetti, postlagernd, Wagon-Lits Cook, Milano.
    Milano, 9. April
    Sehr geehrter Herr!
    Bezugnehmend auf unser Telefongespräch von gestern, schließe ich Einzelheiten über die

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