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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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vor. Meine Bewunderung für die Geduld seiner Schwester wuchs täglich. Aber bis zu einem gewissen Grad konnte ich seine Aufregung verstehen.
    »Ich glaube langsam«, erklärte er eines Tages düster, »daß es ein Fehler war, diese Spartacuszahlen zu erfinden.«
    »Sie wissen genau, daß ich ihm nicht die richtigen gegeben hätte.«
    »Wahrscheinlich. Aber er hat sich vermutlich die Mühe gemacht, die erste Sendung zu überprüfen, und hat den Schwindel herausgefunden. Er glaubt vermutlich, Sie wollten ihn hereinlegen, um den Rüstungsauftrag zu bekommen, und hat Sie als Fehlinvestition abgebucht.«
    »Wie konnte er die Ziffern überprüfen?«
    »Was weiß ich? Aber das wäre die einzige Erklärung. Wie verstehen Sie sonst sein Schweigen? Er hat alles Nötige, um Sie zu erpressen. Warum schlägt er nicht zu?«
    »Vielleicht wartet er, bis ich ihm die Zahlen von diesem Monat schicke, um mich in falsche Sicherheit zu wiegen.«
    »Vielleicht. Hoffentlich haben Sie recht. Dieses Warten geht mir auf die Nerven.«
    Das war jedenfalls klar. Aber der Grund war mir unverständlich. Ich selbst hatte auch ein Gefühl der Ernüchterung, um nicht zu sagen der Enttäuschung, aber Zaleshoffs Haltung gab mir doch Rätsel auf. Warum sollte ihm die Situation derart an die Nerven gehen? Für mich war es nur ein etwas unheimliches Spiel. Für ihn schien es eine Angelegenheit von Leben und Tod zu sein. Eine Menge Dinge, die Zaleshoff mir erzählt hatte, waren zweifellos Lügen gewesen, aber in einem Punkt schien er mir beinahe die Wahrheit gesagt zu haben.
    Eines Abends beim Kaffee kam ich darauf zu sprechen. Es ging ziemlich leicht. Seine Verzweiflung war maßloser als je. Ich wartete auf eine Gelegenheit und sagte:
    »Ich gebe zu, daß dies alles sehr irritierend ist. Aber ich kann nicht einsehen, Zaleshoff, warum Sie sich das derart zu Herzen nehmen?«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Sie finden nicht, daß der Friede Europas etwas ist, worüber ein Mensch sich aufregen kann?«
    »O doch. Der Friede Europas sicherlich. Aber lassen Sie uns einen Augenblick auf dem Boden der Tatsachen bleiben.«
    »Auf dem Boden der Tatsachen!« Seine Stimme wurde ärgerlich. »Boden der Tatsachen! Hören Sie, Marlow, es tut mir leid, es Ihnen sagen zu müssen, denn dumm, wie Sie sind, wäre es ebensogut, wenn Sie es nicht wüßten. Aber leider, Gott sei uns gnädig, sind Sie im Augenblick ziemlich wichtig. Sind Sie schon einmal dagestanden, mit einem verschlossenen Koffer in der einen Hand und einem Schlüsselbund in der anderen? Nur ein Schlüssel paßt. Die anderen nützen Ihnen gar nichts. Es sind zwar Schlüssel, aber nicht die richtigen. So ist es auch hier. Und der richtige Schlüssel sind Sie. «
    Seine Art ging mir langsam auf die Nerven. »Warum lassen Sie die Metaphern nicht einmal beiseite und sprechen Klartext?«
    »Also gut. Im Klartext heißt das, die Deutschen tun ihr Äußerstes, um eine italienisch-englische Verständigung über das Mittelmeer zu hintertreiben. Es geht ihnen darum, die Achse zu erhalten. Ohne sie können sie in Osteuropa nichts unternehmen. Und genau das müssen sie. Wissen Sie, was Aristoteles sagt? Der Tyrann, der den Bürger aussaugt, muß Krieg führen, um seine Untertanen zu beschäftigen und in ihnen das Bedürfnis nach einem starken Mann wachzuhalten. Italien ist im Moment gut dran. Es kann Deutschland gegen Frankreich und England ausspielen. Das kann es aber bloß, weil es in beiden Lagern ein Eisen im Feuer hat. Die Achse ist für Italien so lebenswichtig wie für Deutschland. Wenn Italien einmal von der Londoner Bankenwelt abhängig wird, ist es erledigt. Die Londoner City wird seine Schwerindustrie finanzieren und Kredite ins Land pumpen, bis die Lira vor Schwäche absackt. Dann binden sie eine Schleife um Mussolini und schenken ihn den Deutschen zu Weihnachten. Italiens Stärke im Süden ist die Stärke Deutschlands im Norden. Nur gegenseitiges Mißtrauen kann die Interessengemeinschaft zwischen Deutschland und Italien stören. Aus irgendeiner hirnverbrannten Ursache sind Sie, Marlow, in der Lage, ihre gegenseitigen Verdächtigungen in richtiges Mißtrauen zu verwandeln. Und Sie fragen, warum ich mich aufrege?«
    »Und ich frage noch immer, warum gerade Sie sich aufregen.«
    Er runzelte die Stirn, wie ein Mensch, dessen Geduld erschöpft ist, der sich aber mit Gewalt beherrscht. »Muß ich das Ganze noch einmal wiederholen?«
    »Ich glaube«, warf das Mädchen ein, »Mr. Marlow will wissen, was es dich eigentlich

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