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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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ohne weiteres gehen. Zaleshoff konnte nichts dagegen einwenden. Aber es war vielleicht doch besser, ihm nichts davon zu sagen. Ich hatte aber weder Briefpapier noch Kuverts. Sagen mußte ich es ihm also. Meine Gedanken spannen sich weiter, während ich immerfort auf und ab ging. Aber von allen den vielen Gründen, die ich hatte, um mich selbst zu bemitleiden, stellte einer alle andern in den Schatten, und das war, daß ich keine warmen Semmeln hatte. Es war zweifellos gut, daß es so war.
    Ich wurde in meinen Betrachtungen durch das Knacken eines Zweiges unterbrochen. Ich fuhr zusammen. Dann rief mich Zaleshoff leise an. Ich bahnte mir einen Weg durch das Gebüsch und fand ihn, beladen mit mehreren Paketen.
    »Oh, da sind Sie!« sagte er.
    »Haben Sie mich erschreckt! Wo waren Sie so lange?«
    »Das werde ich Ihnen gleich erzählen. Helfen Sie mir mit dem Zeug.«
    »Was ist das?«
    »Das werden Sie gleich sehen.«
    Er händigte mir zwei schwere Pakete ein, und wir zogen uns wieder auf die kleine Lichtung hinter den Büschen zurück. Da ließ er sich mit einem Seufzer der Erleichterung niedergleiten. Sein Gesicht war angespannt und müde. Er blickte zu mir und lächelte matt.
    »Vor allem andern habe ich Ihnen ein Frühstück gebracht.«
    Aus seiner Manteltasche zog er eine große Papiertüte mit butterbestrichenen Semmeln. Als ich ihm das Paket abnahm, spürte ich, daß die Semmeln noch warm vom Backofen waren. Ich zerriß die Tüte und begann, heißhungrig draufloszuessen. Warme Semmeln! Man konnte Zaleshoff nicht böse sein.
    Aus der andern Tasche zog er eine Flasche Milch. Ich hielt ihm die Semmeln hin, aber er schüttelte den Kopf.
    »Nein, danke. Ich habe etwas gegessen, während ich darauf wartete, daß die Geschäfte aufmachten. Gott sei Dank sind wir auf dem Lande. Da sperrt man früh auf. Ich hätte Ihnen etwas Kaffee gebracht, aber er wäre unterwegs kalt geworden.«
    »Wie heißt der Ort?« fragte ich mit kauendem Mund.
    »Reminini. Er ist klein und eine gute halbe Stunde von hier. Ich …« Er unterbrach sich plötzlich. »Möchten Sie sehen, was ich in den anderen Paketen habe?«
    Ich nickte, und er öffnete die beiden schweren Pakete und zeigte mir ihren Inhalt. Ich blickte verwundert darauf nieder.
    »Stiefel?«
    »Ja, ein Paar für jeden von uns und dicke wollene Socken. Sie hinkten heute früh etwas, und als wir da hinten auf dem Weg stehenblieben, verglich ich meinen Fuß mit Ihrem. Wir haben dieselbe Größe.«
    Ich betrachtete die dicken genagelten Sohlen und die schweren Schäfte mit einigem Mißtrauen. Er legte meinen Blick richtig aus.
    »Wir müssen noch tüchtig marschieren, und die Stiefel werden weniger ermüdend sein als Blasen.«
    »Vermutlich. Was ist in dem andern Paket?«
    »Erst einmal ein Schal. Sie brauchen einen. Und ein Hut.«
    »Aber ich habe einen Hut.«
    »Nicht so einen. Sehen Sie.«
    Ich schaute hin, und was ich sah, gefiel mir nicht. Es war ein sehr billiger weicher italienischer Hut, schwarz, mit hohem Kopf und flacher Krempe.
    »Um Gottes willen, was soll ich mit dem?«
    Er grinste. »Weniger auffallen. Ihr Hut ist sehr elegant, aber er schreit es nur so heraus, daß er englisch ist. Nichts gibt einem so leicht ein anderes Aussehen als ein neuer Hut.«
    Ich setzte den Hut auf. Zu meiner Überraschung paßte er.
    Er nickte. »Ich habe mir Ihre Hutnummer gestern abend angesehen.«
    Ich befühlte ihn abschätzend. »Ich habe den Eindruck«, sagte ich ärgerlich, »daß ich in diesem Theaterrequisit viel auffallender aussehe als in meinem eigenen Hut.«
    »Das scheint Ihnen nur so, weil Sie nicht daran gewöhnt sind. Geben Sie ihn einmal her.«
    Ich gab ihn ihm gern. Im nächsten Augenblick zerknüllte er ihn zwischen seinen Händen wie ein Abwischtuch. Dann begann er seine Schuhe damit abzustauben. Darauf wischte er mit ihm ein paarmal über den Boden, bis er vor Schmutz starrte. Er schüttelte die Blätter ab, faltete einen Bug in den Kopf und reichte ihn mir wieder.
    »So sieht er schon besser aus. Nein, machen Sie ihn nicht wieder sauber. Setzen Sie ihn auf und geben Sie mir Ihren.«
    Ich gehorchte. Er betrachtete mich kritisch.
    »Ja, viel besser. Gut, daß Sie dunkles Haar haben. Das unrasierte Kinn paßt großartig zu dem Hut.«
    Ich steckte mir eine Zigarette an und gähnte. Das Essen hatte mich schläfrig gemacht. Meine Augenlider wurden schwer.
    »Nun«, sagte ich, »möchte ich schlafen. Wie wär’s damit? Bleiben wir hier, oder versuchen wir, etwas anderes zu

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