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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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finden?«
    Er antwortete nicht sofort, und ich blickte von meiner Zigarette auf. Er sah mich fest an.
    »Heute können wir nicht schlafen«, sagte er langsam. »Wir müssen weiter.«
    »Aber …«
    »Ich habe es Ihnen vorhin nicht gesagt, weil ich Sie in Ruhe frühstücken lassen wollte. Wir sind hier an einem recht gefährlichen Ort.«
    Mein Herz sank. »Was?«
    »Auf allen Straßen sind Patrouillen.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich lief einer vor dem Dorf direkt in die Arme. Polizei und Schwarzhemden. Wir sind ja noch im Bezirk Treviglio. Ich mußte meinen Paß und meine Aufenthaltsbewilligung zeigen, und sie schöpften Verdacht. Ich dachte mir schnell eine Geschichte aus, daß ich früh von Treviglio aufgebrochen sei, um zu einer geschäftlichen Unterredung nach Venedig zu gelangen, und das Auto habe eine Panne gehabt. Es war keine sehr gute Ausrede, aber die beste, die mir einfiel, um zu erklären, was ich zu dieser Tageszeit und in diesen Kleidern auf der Landstraße machte. Sie ließen mich gehen, aber sie notierten sich meinen Namen und meine Paßnummer. Sie sagten mir auch, wo die nächste Garage ist. Ich konnte nicht gut mit all den Paketen denselben Weg zurückgehen – das hätte zu viel Erklärungen gefordert, und so machte ich einen Umweg durch die Felder. Wenn sie sich noch an mich erinnern und bei dem Garagenbesitzer nachfragen, werden sie uns bald aus dem Busch klopfen. Und noch etwas.« Er zog eine zusammengefaltete Zeitung aus seiner Brusttasche. »Schauen Sie sich das an. Von heute früh.«
    Ich nahm die Zeitung und überflog die erste Seite. Es war die Frühausgabe eines Mailänder Blattes. Ich hatte bald gefunden, was er meinte. Auf der Mitte der Seite waren zwei Bilder, beide fast zehn Zentimeter groß. Es waren Fotografien von mir.
    Darüber in fetten schwarzen Lettern: »ATTENTI, L. 10000«. Darunter stand, ebenfalls fett gedruckt, ungefähr dasselbe, was am Vorabend am Radio durchgegeben worden war. Ich betrachtete die Bilder genau. Das eine war offenbar von einer Fotografie reproduziert, die ich für meine Aufenthaltsbewilligung eingereicht hatte. Es war eine Aufnahme mit harten, scharfen Linien und infolgedessen in der Reproduktion, trotz des schlechten Papiers, fast so scharf wie das Original. Das andere Bild war weniger deutlich, interessierte mich aber sehr, denn es war offenbar nach dem Bild in meinem ›verlorenen‹ Paß hergestellt. Man konnte schwach erkennen, wo der Stempel des Britischen Außenministeriums retouchiert worden war. Ich blickte auf.
    »Nun wissen Sie, warum ich gestern abend nicht wollte, daß der Schaffner Ihr Gesicht sieht«, sagte Zaleshoff. »Die anderen Zeitungen bringen diese Bilder auch.«
    »Ich verstehe.« Ich schwieg. Wieder fühlte ich, wie die Angst in meinem Magen wühlte. »Was sollen wir tun? Wenn sie die Straße überwachen und jeder Mensch diese Bilder sieht, gibt es keinen Ausweg mehr. Wissen Sie, was ich glaube?«
    Er unterbrach mich. »Ich weiß. Sie denken, das beste ist jetzt, sich zu stellen. Fangen Sie um Himmels willen nicht wieder damit an. Wir vergeuden nur unsere Energie.« Er zog die Landkarte heraus. »Noch sind wir nicht verloren. Alle Straßen sind voll Patrouillen, aber sie können nicht auch noch die Felder absuchen. Reminini ist auf dieser Karte nicht verzeichnet – es ist zu klein – aber nach meiner Berechnung muß es ungefähr hier liegen.« Er deutete mit dem Finger auf die Karte. »Und das bedeutet, daß wir nur dreißig Kilometer von der Bahnlinie Bergamo-Brescia entfernt sind. Sehen Sie, alle wichtigen Straßen in diesem Gebiet laufen in fast genau nördlicher Richtung. Das bedeutet, daß wir, wenn wir gegen Norden weitergehen, querfeldein, die Bahn ohne viel Belästigung durch Patrouillen erreichen müßten.«
    »Aber bei Tageslicht …«
    »Ich sagte ja schon, unsere einzige Sorge sind die Straßen, die wir überqueren müssen, und das sind Nebenstraßen. Im übrigen müssen wir nur unsere Augen offenhalten.«
    Auf diesen letzten Satz reagierte ich mit Empörung. »Verdammt, Zaleshoff, ich kann schon jetzt kaum noch meine Augen offenhalten. Ich bin absolut fertig. Und Sie ebenso, nach Ihrem Äußeren zu schließen. Wir werden nicht durchhalten. Da können Sie Ihr Kinn so grimmig vorrecken, wie Sie wollen. Es ist einfach Wahnsinn, zu glauben, wir könnten es schaffen. Wenn wir überhaupt zu der Bahnlinie kommen, was dann?«
    »Wir können auf einen Güterzug aufspringen, der uns nach Udine bringt.«
    »Wenn aber keiner

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