Anleitung zum Alleinsein
Wärter und Verwaltungsleute von außerhalb. Die meisten Hausmeisterdienste – Wäsche, Rasen, Küche – sollten in der Anstalt von den Gefangenen selbst erledigt werden, und das Höchstalter für Bewerbungen auf die mit Einheimischen zu besetzenden Stellen wurde, wie sich herausstellte, auf siebenunddreißig festgesetzt. Das war ein böses Erwachen für eine Stadt der Ruheständler; «ein Schocker», sagen die Leute im Rathaus.
Jim Provenzano hatte gehofft, die Vollzugsbediensteten würden ihre Uniformen bei ihm kaufen. Bedauerlicherweise, sagt er, «wollten sie, dass ich ihnen Stiefel zu einem Preis verkaufe, der zehn Dollar unter dem Selbstkostenpreis liegt, andernfalls wollten sie sie bei der Firma kaufen, die auch sonst die Regierung beliefert. Wie soll ich denn mit der konkurrieren?» Ein paar Wartungsarbeiter vom FCC kaufen ihre Uniformen schon bei ihm, aber für seine Westernsachen hat es bislang kaum zusätzliche Nachfrage gegeben.
Wenn Provenzano einzuschätzen versucht, ob sich sein Tausend-Dollar-Einsatz gelohnt hat, verlieren sich seine Sätze in sorgenvollen Ellipsen. «Ich will ja nicht negativ klingen, aber …» Obwohl er glaubt, dass Florence irgendwann davon profitieren wird, räumt er ein, dass Jim’s Clothing weniger gut läuft als erhofft. «Ich weiß nicht, ob ich das Geschäft noch zwei Jahre halten kann.»
«Das Schicksal unserer Händler geht mir nah», sagt Merle Strickland, die markterfahrene Bürgermeisterin der Stadt. «Sie versuchen, in dieser überwiegend dienstleistungsgeprägten Wirtschaft zu überleben. Ich hätte ja selbst gern eine blühende Geschäftswelt hier, aber sie haben die gleichen Probleme wie ich damals mit meinem Möbelgeschäft: Die Leute kaufen eben da,wo es am billigsten ist. Wenn Sie es hier zu was bringen wollen, dann mit Dienstleistung.»
Strickland fährt mit mir zum neuen Golfplatz von Florence, einer Neun-Loch-Anlage namens Bear Paw, von deren Driving Range und Übungsgrün aus man einen Blick auf die Nordseite des FCC hat. Man hatte ihn aus zweierlei Gründen angelegt: Einerseits wollte man Gefängnisbürokraten, die, wie es hieß, eifrige Golfer seien, einen Anreiz schaffen, andererseits sollte er Bezugspunkt einer zukünftigen Wohnsiedlung sein. Am Ende eines ausgefurchten Kieswegs bieten mehrere riesige Modellhäuser einen hübschen Blick auf den elektrischen Zaun.
Strickland zufolge verfügt Florence über eine Wasserkapazität für eine Bevölkerung von zwanzigtausend Menschen. Wasser ist für die Stadt, die von Kunden außerhalb der Stadtgrenzen einen Aufschlag von fünfzig Prozent verlangt, eine wichtige Einnahmequelle; die Einkünfte aus dem Wasserverkauf an das FCC betragen monatlich fünftausend Dollar. «Manche unserer Stadträte sagen gern, der größte Aktivposten unserer Stadt seien die Menschen», sagt sie. «Ich dagegen glaube, das Wertvollste, über das meine Wähler verfügen, ist das Wasser.»
Ich sage Strickland, mir sei nicht klar, wie das Gefängnis die neuen Siedlungen, die überall in der Stadt aus dem Boden geschossen seien, genau begünstigt habe.
Sie macht eine wegwerfende Gebärde. «Das Wachstum kommt nicht vom Gefängnis. Das kommt von Einrichtungen wie diesem Golfplatz da. Der ist Teil des Wachstums auf der ganzen Front Range. Wachleute mit zwölf Dollar die Stunde finden hier kein Haus. Und ich habe einige Gefängnisbeamte sagen hören, dass sie persönlich nicht unbedingt so nahe an ihrem Arbeitsplatz wohnen wollen.»
Über die Gefängnisbefürworter sagt Strickland: «Die glauben alle, der Weihnachtsmann kommt. Aber den Weihnachtsmann gibt es nicht.»
Genau so eine Erkenntnis scheint Jim Provenzano gedämmert zu haben. Er verstehe jetzt, sagt er, dass die Leute nach Dienstschluss vom Gefängnis direkt nach Hause wollten, ohne erst noch nach Florence zu fahren und dort einzukaufen. Er scherzt, die heimischen Geschäftsleute sollten auf den Straßen nach Pueblo und Colorado Springs Radarfallen aufstellen lassen, damit die Leute nicht so schnell zu den Einkaufszentren gelangen könnten.
«Die Leute denken, nur weil ich den einzigen Laden in einer Kleinstadt habe, muss es bei mir teurer sein», sagt Provenzano. «Das stimmt aber nicht. Doch wir haben eine Generation von jungen Leuten, die nur noch Wal-Mart, die nur noch Einkaufszentren kennen.»
Provenzano, der anfangs bereit war, «ein paar Minuten» mit mir zu sprechen, plaudert schließlich eine ganze Stunde. Als ich mich beim Hinausgehen für eine Levi’s
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