Anleitung zum Alleinsein
Unsere Hassliebe zum Verbrechen ist das Epos des Kriegs zwischen dem alles beherrschenden Dollar und dem wilden Grenzland.
Wenn der schwarze oder hispanische Jugendliche dann schließlich sein drittes Karnickel klaut, wird er für den Rest seines Lebens in ein System gesteckt, das die innere Ordnung aufrechterhält und fleißig wirtschaftet, indem es seine Gefangenen zwingt, für einen Dollar oder weniger die Stunde die niedere Arbeit zu verrichten, die sie als Freie für einen Minimallohnverweigert haben. Für diejenigen, die nicht kooperieren wollen, gibt es immer ein paar Jahre in wohlwollenden Disziplinierungseinrichtungen wie dem ADX oder der CSP. Beim ersten Hören klingt Ray Levasseurs Beschreibung des ADX als «feuchter Architektentraum eines Proto-Technofaschisten» wie eine müde Agitprop-Übertreibung. Man betrachte aber den Faschismus in seiner ursprünglichen (italienischen) Bedeutung, die da lautet, dass man die Regierung veranlasst, mit der blutleeren Effizienz eines Unternehmens zu arbeiten, dass man Züge pünktlich fahren lässt. Das wahre Wesen des Faschismus ist ein patriotischer Korporatismus, der sich wohlwollend und effizient gibt. Im Licht der Zukunft, an der wir in Fremont County bauen, sind Ray Levasseur und Mutulu Shakur, deren Beharren, «Politische» zu sein, sie zu Sonderfällen stempelt, die typischsten Häftlinge des Systems. Mag sein, dass jeder Einzelne in den Gefängnissen unseres Landes für eine Geschichte persönlicher Verantwortungslosigkeit steht. Doch die Gesamtheit von anderthalb Millionen solcher Geschichten ist größer als die Summe ihrer Teile. Die Gesamtheit ist politisch, und Levasseur und Shakur sind die Stimme der Statistik. Sie sagen: Denken wir doch mal darüber nach, was eineinhalb Millionen Leute im Gefängnis über die Art und Weise, mit der wir wirtschaften, aussagen könnten.
Und genau das ist es: Die Bundesbediensteten sind mir gegenüber nicht freundlich, sie tauen nicht auf. Wohingegen jeder aus Colorado, mit dem ich spreche, ein Mensch mit deutlich erkennbaren Hoffnungen, Träumen, Ängsten ist. Es dauert nur eine Stunde, bis ich sie mag. Sie haben keine Gewissheiten. Sie wirken nur freier und zugleich unfreier als die Funktionäre des Bundes, die tagsüber in ihrem Gefängniskomplex abgeschottet sind und in der Abenddämmerung nach Pueblo West pendeln. Sie sind frei, weil sie die Freiheit haben, verwirrt und argwöhnisch zu sein, und sie sind unfrei als Gefangene der unablässig sich vervollkommnenden Mechanismen von Kontrolle undCashflow, die sich an die letzten traditionellen Gemeinden Amerikas heranpirschen. Als Gefangene einer Bundesbehörde, die einer Stadt Hoffnungen auf Baujobs macht, aus denen dann nichts wird, die drei Gefängnisse verspricht und im Nachhinein noch ein Alcatraz dazugibt, die Geschäfte mit ortsansässigen Unternehmen in Aussicht stellt, dann aber längst vorherbestimmte Lieferfirmen vorzieht; als Gefangene der unentrinnbaren Effizienz von Ladenzeilen und Reihenhaussiedlungen. Hier gibt es keine Verschwörung, keinen bewussten Täuschungsversuch, keine großartigen Ironien. In diesem Tal der erodierten Mesas und ausgelaugten Minen gibt es nur das schrittweise Schwinden einer Unschuld. Wenn Merle Strickland sagt, der größte Aktivposten ihrer Gemeinde seien nicht die Menschen, sondern die Wasserrechte, hat sie völlig recht und völlig unrecht.
Nachts leuchten die Gefängnisse in der Wüste wie ein Reaktor, eine Abschussrampe, eben irgendwas, hinter dem sich der Bund verbirgt. Noch aus meilenweiter Entfernung kann man sehen, dass sich innerhalb der Drähte gar nichts regt.
(1995)
Mr. Schwierig
L etzten Winter, nachdem mein dritter Roman erschienen war, bekam ich eine Zeitlang massenhaft zornige Post von Fremden. Was sie so aufbrachte, war nicht etwa der Roman – eine Komödie über eine Familie in der Krise –, sondern die eine oder andere undiplomatische Bemerkung, die ich in der Presse gemacht hatte, und ich wusste, dass es ein Fehler war, mit mehr als ein paar nichtssagenden Floskeln zu antworten. Aber ich musste einfach ein bisschen zurückschlagen. Gestützt auf einen meiner alten literarischen Helden, William Gaddis, der schon früh darüber geklagt hatte, dass das Lesepublikum das Werk des Schriftstellers mit der Privatperson des Schriftstellers verwechselt, riet ich den Briefschreibern, sie sollten sich doch lieber meine Literatur ansehen, statt sich verzerrte Berichte über dessen Autor
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