Anleitung zum Alleinsein
auftat, Augenblicke, in denen ich dachte:
So
ist das also. Wie jede Generation glauben muss, dass sie den Sex erfunden hat –
«Sexual intercourse began/In nineteen sixty-three/(Which was rather late for me»
), lautete Philip Larkins nicht nur ironisches Lamento –, verdienen wir alle auch unsere Trockenperioden und unsere eigenen Revolutionen. Erst durch sie wird unser Leben zu einer guten Geschichte.
Leider gehen solche Geschichten schnell unter zwischen den glatten Gewissheiten unserer Medienkultur: dass ein hinreichend schweres Sperrfeuer an Informationen Erleuchtung zeitigt und unablässige Kommunikation eine Gemeinschaft bildet. Susie Bright und Susan Block und Dr. Ruth sind laut und kabelkompatibel. Man kann sie ein-, aber nicht wieder abschalten. Sie quasseln über das Frenulum und das Perineum, den G-Spot , die Drücktechnik, Schimpansen und Vibratoren, Bodys und Strapse, «Ohrgasmen» und «Zehgasmen». Ihre Arbeit
schafft
erst den stümpernden Amateur. Ihre Entdeckung der sexuellen «Technik»
schafft
erst eine Bevölkerung, der jede Technik fehlt. Die populäre Kultur, der sie angehören, ähnelt daher einer MT V-Beachparty . Von außen sieht die Party ausgelassen aus, aber für den passiven Betrachter ist das Wesentliche, dass er nicht eingeladen worden ist. «Haben manche Menschen Mehrfachorgasmen … elektrisierende orale Erlebnisse, unglaubliche und emotional intensive Liebesbegegnungen, die Stunden andauern?», fragt Susan Bakos den Leser. «So unglaublich es klingen mag – ja. Warum dann nicht auch Sie?» Einem einsamen Leser könnte man die Antwort verzeihen: Weil in meinem Schlafzimmer ein Fernseher steht.
Dem Begriff «Paraphilie» haftet etwas Perverses, etwas Ungesundes an. Doch während kaum Zweifel bestehen, dass unsere Kultur eine paraphilische Verdrängung des Genitalen durch das Verbale befördert, ist diese Verdrängung an sich nicht krank. Der Grund dafür, dass die Lektüre eines Sexbuchs die Einsamkeit (wenigstens vorübergehend) lindern kann, ist der, dass Sex für den Menschen ebenso imaginativ wie biologisch ist. Wenn wir mit jemandem schlafen, haben wir immer ein Bild von uns im Kopf, wie wir mit jemandem schlafen. Und obwohl die Substituierung eines warmen Körpers durch einen heißen Text nur eine Möglichkeit sein mag, unsere Genitalien zu überlisten, ist es doch bemerkenswert, dass diese List so oft funktioniert. Als ich vierzehn war, durchforschte ich mein
Webster’s Collegiate
ständig nach Wörtern wie «Geschlechtsverkehr». Als ich
Ann Landers Talks to Teenagers About Sex
nach schmutzigen Stellen abgraste, erfuhr ich zu meiner Freude, dass allein schon der Anblick «eines Mädchens in einem engen Pullover» genügt, um einen halbwüchsigen Jungen zu erregen.
Für alle, die solche schriftlichen Kitzel suchen, nicht aber über die Ressourcen verfügen, einen eigenen Vorrat an Kitzelerzeugenden Texten zusammenzutragen, gibt es jetzt
Erotik schreiben
, eine Art para-paraphilisches Werk zum Thema
The Joy of Writing Sex: A Guide for Fiction Writers
von der Romanautorin Elizabeth Benedict. Dieser neue
Joy
besteht im Wesentlichen aus Sexszenen, die sie aus den Werken zeitgenössischer Schriftsteller exzerpiert und mit ihren munteren, keimfrei machenden Glossen umrahmt hat. Die subversiven Kitzel, die
Portnoys Beschwerden
vielleicht bereithält, dürften eine Analyse wie die folgende wohl kaum überstehen: «Roth gelingt es, das Klischee des ersten Besuchs eines Halbwüchsigen bei einer Hure in eine köstliche, zum Schreien komische Szene zu verwandeln, die uns wieder zu den Themen des Romans zurückführt, dem Kampf zwischen dem Wunsch, ein guter Jude und ein guter jüdischer Sohn zu sein, und dem Verlangen, sich so unanständig zu verhalten, wie die eigene Libido es gerne hätte.» Benedict teilt uns mit, ein großer Reiz, das Handbuch zu schreiben, habe darin gelegen, dass sie «sexy Bücher lesen und lange Zeit an nichts anderes als an Sex denken» konnte. Dass sie das für einen beneidenswerten Zustand hält, mag die enge Verwandtschaft – die ganz auffallenden Parallelen – zwischen ihrem Machwerk und den Machwerken der Sexratgeberinnen erklären. Das Preisschild des Buchs ist seine Bestimmung.
Wie die Sexratgeberinnen gratuliert auch Benedict unserer Zeit zu ihrer Aufgeklärtheit und ihren Leser zu dem Glück, nach dem Erscheinen von
Angst vorm Fliegen
volljährig geworden zu sein. Sie spielt auf die «unermesslichen Tragödien der
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