Anleitung zum Alleinsein
leer.
Danach wurde wieder zugestellt, aber nur sporadisch. Die Post kam, wenn sie überhaupt kam, spät, und häufig war sie stark durchmischt mit Post für andere Häuser in der Nachbarschaft. Besonders lebhafte Tauschbeziehungen nahm Katz mit dem Block 5500 der Lakewood Avenue auf. Ihre Hauseigentümer-Versicherung wurde gekündigt, ebenso ihre Krankenversicherung; die Rechnungen hatte sie nie erhalten. Kurz bevor sie im August1990 zehn Tage in Urlaub fuhr, erhielt sie die Mitteilung, ihr Telefon werde wegen unbezahlter Rechnungen abgestellt. Als sie aus dem Urlaub zurückkehrte, erwarteten sie die Telefonrechnungen von Mai, Juni, Juli und August. Einige Monate später fiel ihr auf, dass der
New Yorker
nicht mehr kam. Als sie beim Abo-Service anrief, wurde ihr gesagt, man habe vom Postamt Uptown die Meldung erhalten, sie sei verzogen.
Im Winter 1992 verteilte Katz an alle Haushalte in einem Umkreis von sechzehn Blocks eigenhändig einen Fragebogen zum Service der Post. Der Rücklauf ergab eine Beschwerdenlitanei, die der ihren sehr ähnlich war, dazu weitere Schrecken. «Postbote trinkt, kommt unregelmäßig, hängt während der Zustellung mit eigenartigen Freunden rum», «Postbotin stellt Post mit ihren Kindern zu und lässt sie die Post austragen», «Postbote belästigt uns nachts, verlangt Geld».
Katz schickte die Umfrageergebnisse an den Chef der Chicagoer Post. Ein halbes Jahr später, nachdem sie noch immer keine Antwort erhalten hatte, wandte sie sich an die Stadträtin Mary Ann Smith, deren Büro seit 1988 Beschwerden über die Post bearbeitete. Smith rang Jimmie Mason, dem neuen Chef der Chicagoer Post, das Versprechen ab, bis zum 2. Oktober auf Katz’ Umfrage zu reagieren, doch erst im Winter vermochte sie für Katz und deren Nachbarn ein Treffen mit ihm zu vereinbaren. Mason bat alle um Mithilfe bei der Überwachung des Zustelldienstes. Katz sagte, sie wolle die Post nicht überwachen, sie wolle sie einfach nur bekommen. Mason sagte, Verbesserungen bräuchten Zeit. In der Zwischenzeit, versprach er, werde er die Briefkästen in Uptown, die von den Jugendlichen aus der Gegend stark beschmiert waren, neu streichen lassen. Auch bot er an, dem Viertel die spezielle blaue Farbe bereitzustellen, damit man die Kästen selbst in Ordnung halten könne. Für Katz war das der Gipfel der Koabhängigkeit. «Nicht nur zustellen und überwachen sollen wir für die. Wir sollen auch noch anstreichen.»
Obwohl Mary Ann Smith weiterhin «Gemeindeversammlungen» einberief, bei denen diverse Postvertreter diverse Versprechungen machten, verbesserte sich der Service in Uptown nicht. Vergangenen Winter schließlich musste sie nach sechs Jahren unablässigen Trommelns erkennen, dass keine Macht, die sie auf lokaler Ebene mobilisieren konnte, die amerikanische Post zu Reaktionen zwang. Sie drängte den Finanzausschuss des Bezirks, Hearings über die wirtschaftlichen Auswirkungen eines schlechten Postdienstes abzuhalten, dann gab sie auf. «Wir haben das Unsere getan», sagt sie. «Ich bin eigentlich nicht dazu da, mit so etwas meine Zeit zu verbringen.»
Inzwischen verschickte Katz wichtige Post mit Federal Express, und Rechnungsbeträge ließ sie abbuchen. Sie veranlasste, dass alle wertvollen Dokumente in ihr Büro im Stadtzentrum gesandt wurden. So wie sie andere öffentliche Dienste mied, indem sie mit dem Auto zur Arbeit fuhr und ihre Kinder auf eine Privatschule schickte, umging sie nun auch die staatliche Post, so weit wie möglich jedenfalls, mit Telefon, Faxgerät und Computer. Auch sie hatte aufgegeben. «Niemand fühlte sich zuständig», sagt sie. «Es lag auf der Hand, dass es der Post egal war.»
Für Marilyn Katz, Mary Ann Smith und Debra Doyle – und auch für andere wie Sidney R. Yates, Abgeordneter des Neunten Bezirks von Illinois im Repräsentantenhaus, der die Chicagoer Postverhältnisse schon ein Jahrzehnt lang kritisiert hatte – war das Frustrierendste am Umgang mit der Post, dass niemand, der sich damit auskannte, erklären konnte, warum die Sendungen nicht zugestellt wurden. Gelegentlich hörte Katz Entschuldigungen (beispielsweise vertraute ihr der Leiter der Uptown-Filiale an, die Gewerkschaft hindere ihn, seine Postboten zu disziplinieren), doch nie erhielt sie auch nur eine Alibierklärung für die Mängel, die ihre Umfrage aufgedeckt hatte. Bei den Gemeindeversammlungen waren die Postvertreter freundlich, danach stumm. Eswar, als wäre es ihnen nicht nur egal; sie wussten nicht
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