Anleitung zum Alleinsein
S-Repräsentantenhauses William L. Clay auf sich, der anmerkte, dass nur einer von zehn neuen regionalen Postchefs ein Schwarzer sei, und das erschöpfte offenbar die Geduld eines Mitglieds der Postaufsicht, Robert Setrakian, der seine Kollegen unter der Hand aufforderte, Runyon aus dem Amt zu jagen, bevor die amerikanische Post ganz auseinanderbreche. Die Krise vertiefte sich im Juli, als die
Washington Post
meldete, Inspektoren hätten Millionen von Briefsendungen in vier Anhängern vor einem Verteilerzentrum in einem Vorort inMaryland entdeckt, wo man offenbar nicht fähig oder willens sei, die täglich anfallende Arbeit zu erledigen.
Jeder dieser Fälle war ein Echo des Niedergangs der Chicagoer Post. Seit der Begegnung Debra Doyles mit Gayle Campbell war der Damm zwischen zwei Welten durchbrochen. Doyle brachte Campbell zu Nicodemus, und der gab der Chicagoer Öffentlichkeit Einblick in die Welt der Post; nach Marvin Runyons Eintreffen aus Washington und einer Folge der CB S-Nachrichten sendung
Eye to Eye with Connie Chung
war unausweichlich, dass Köpfe rollen würden.
Eine Coda zum Niedergang war, dass am Samstag, dem 7. Mai, Feuerwehrleute zu einem Kabelbrand in einer Wohnanlage in Palatine Township, einem Vorort im Nordwesten Chicagos, ausrückten und den Zugang zum Dachstuhl von einer Wand aus Briefen und Paketen im begehbaren Schrank des Schlafzimmers versperrt fanden. Ein Bündel Sendungen fiel einem Feuerwehrmann auf die Füße; sie waren beschriftet mit Adressen der North Side Chicagos. Der Fund bestand aus 3396 Briefsendungen (darunter eine Visa-Karte, die aus ihrem Umschlag genommen, aber weder unterschrieben noch benutzt worden war), 1138 Drucksachen, 165 Kilo Postwurfsendungen und 1136 CDs. Die Eigentumswohnung gehörte Robert K. Beverly, einem seit sieben Jahren pensionierten Zusteller der Filiale Irving Park, der vor lauter Angst, für nicht zu Ende gebrachte Touren gemaßregelt zu werden, immer mehr Sendungen in seinem gebrauchten Jaguar mit zu sich nach Hause geschafft hatte. Rätselhaft an dieser Geschichte ist, dass sich auf seiner Tour offenbar niemand über ausbleibende Post beschwerte. Seine Verhaftung kam für die Filiale Irving Park vollkommen überraschend.
Die Postfamilie will mir weismachen, dieser Vorfall sei ungewöhnlich. Man sieht in Beverly einen faulen Apfel oder Irren, in seinen Taten den Ausdruck von nichts anderem als der Finsternis in seinem Herzen. Die Familie behauptet, die Ansammlungfauler Äpfel in Chicago in jenem Frühling sei rein zufällig. Das Bekanntwerden einer Entdeckung führe zu weiteren Entdeckungen. Viele der Vergehen, die ans Licht kämen, seien alte Kamellen. In anderen Städten sei es auch nicht anders.
Wenn ich diese Ausflüchte Gayle Campbell vortrage, schüttelt sie grimmig den Kopf wie eine Richterin, die häufig Todesurteile fällt. Sie sagt, in einem Bericht des Service-Verbesserungs-Teams von 1993 habe sie Beverlys Tour als einen mit alter Post gepflasterten «Problemfall» hervorgehoben. Sie glaubt, dass es in Chicago weitere, noch unentdeckte Robert Beverlys gibt. Nach einem Gespräch mit Beverlys Vorgesetztem («der nachlässigste, gleichgültigste Herr, der mir je begegnet ist») und dem Leiter der Filiale Irving Park kann sie das rätselhafte Ausbleiben von Beschwerden erklären. «Es gab sehr wohl Beschwerden», sagt sie. «Aber ich weiß, dass sie kein Beschwerdebuch führen, weil ich das mal bemängelt habe. Sie konnten mir einfach keines vorlegen. Ich habe sie darauf angesprochen. Sie hatten die Beine hochgelegt und unterhielten sich übers Baseballspiel. Draußen warteten zwanzig Leute und wollten bedient werden, und an den Schaltern saßen zwei Mann.»
Dass systemische Fehler im wichtigsten Kommunikationsnetz einer der größten Städte und Finanzzentren des Landes zehn Jahre lang bestehen konnten und dass es der vereinten Anstrengungen einer Einzelkämpferin im Verwaltungsapparat, der Medien und einer Delegation des Kongresses bedurfte, um das System zu zwingen, sich diesen Fehlern zuzuwenden, wirft ernste Fragen zur langfristigen Überlebensfähigkeit der amerikanischen Post wie auch der Städte der Vereinigten Staaten auf.
Fünf Jahre nach der Chicagoer Postkrise von 1966 wurde das alte Post Office Department zum United States Postal Serviceumstrukturiert, einem «Unternehmen» im Besitz des Bundes, über das Kongress und Präsident zwar die Aufsicht führten, aber keine unmittelbare Kontrolle ausübten.
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