Anleitung zum Alleinsein
Konsumgüter sickern, dabei den Makel der Massenproduktion abstreifen und als Einzelstücke, die mit einer Geschichte ausgestattet sind, hervorkommen.
Es hat etwas Verlockendes, sich den Widerstand des amerikanischen Autors gegen den Technikkonsumismus – einen Widerstand, der in den meisten Fällen bedauerlicherweise auf unfreiwillige wirtschaftliche Notlagen zurückzuführen ist – als eine Art austauschbaren politischen Widerstand vorzustellen. Es ist noch nicht lange her, da kam einer meiner ehemaligen Schreibseminarstudenten zu Besuch, und ich machte mit ihm einen Spaziergang durch mein Viertel. Jeff ist ein gut ausgebildeter, ehrgeiziger junger Mann, der von Pynchons Kritik an Technologie und Kapitalismus hin und weg ist und zwischen einer Promotion in Amerikanistik und ersten literarischen Versuchen schwankt. Auf unserem Spaziergang, während ich auf ihn einredete, Literatur habe nichts mit gesellschaftlichen Veränderungen, sondern mit Zuflucht zu tun, kamen wir an einem verlockenden Müllhaufen vorbei. Da stand ein mit Lack und Gips bespritzter Holzstuhlmit kaputter Sitzfläche, und ich entdeckte ein Stück Holz, mit dem ich die größeren Gipsklumpen abschlagen konnte. Es war eine Drecksarbeit. Jeff sagte: «Wird so mein Leben aussehen, wenn ich Romane schreibe?»
Nach Jahren der Depressionen war es mir gleich, wie versöhnt mit mir ich klang. Ich sagte, dass es mir vornehmlich um das Retten von etwas gehe. Ich könne mir zwar einen neuen Stuhl leisten; lieber aber lebte ich zwischen Wiederverwertetem und neu zum Leben Erwecktem, und das sei meine ganz persönliche Entscheidung.
Eine gründliche Reinigung mit einem Schwamm, eine stabile Sperrholzplatte – Esche – von der Schublade einer Kommode, die jemand am Bordstein abgestellt hatte, acht wiederverwertete Messingschrauben, mit denen ich die Sperrholzplatte von unten an den Sitz schraubte, und ein schwarzer Magic Marker, um die weißen Lackspritzer abzudecken: so wurde der Stuhl gerettet.
(1996)
Kontrolleinheiten
V on der Colorado Route 67 aus wirkt das Pförtnerhaus des Federal Correctional Complex, der Bundeshaftanstalt, wie ein Pavillon einer Wohnanlage für Wohlhabende. Er hat jadegrüne Dekorationselemente und ist mit rosa Kies umsäumt. Als ich mich im Auto nähere, kann ich hinter den Rauchglasfenstern zwei Schwarze mit Krawatte erkennen. Einer kommt heraus, um sich meinen Ausweis anzusehen und zu fragen, ob ich Waffen mitführe. Ich sage ihm, ich sei um ein Uhr mit Mr. Louis Winn verabredet.
Der Wachmann fragt: «Mit wem?»
Ich sage es ihm noch einmal. Mit verblüfftem Gesichtsausdruck geht er in den Pavillon zurück, und der andere kommt heraus. Er hat einen zurückweichenden Haaransatz und eine entfernte Ähnlichkeit mit Langston Hughes. Er trägt einen schönen grauen Nadelstreifenanzug. «Louis Winn», sagt er, ohne zu lächeln, und gibt mir durch das offene Fenster die Hand.
«Ach, Sie sind also Mr. Winn», erwidere ich mit einem Lächeln, das für uns beide reicht. Ich bin überzeugt, er glaubt, ich sei überrascht, weil er kein Weißer ist. Er sagt, ich solle seinem Wagen den Hügel hinauf folgen. Da ich mich von dem Wachmann schlecht behandelt fühle, lasse ich nicht locker, bohre weiter: «Der Wachmann wusste anscheinend nicht, wer Sie sind.»
Mr. Winn bedenkt mich mit einem Blick vernichtender Enttäuschung und geht wortlos zu seinem Wagen.
Hier in Florence, Colorado, boomt das Geschäft des amerikanischen Law and Order. Die Bundeshaftanstalt ist das neue Prunkstück im Kampf gegen Drogen, die, wie sehr oder wie wenig sie die ungesetzlichen Begierden auch gezügelt haben mag, immerhin dazu beigetragen hat, die Zahl der Insassen der Bundesgefängnissein nicht einmal zehn Jahren zu verdoppeln. In Florence waren die Leute so versessen auf das Geschäft, dass sie Land für die Anlage aufkauften und es der Vollzugsbehörde zum Geschenk machten. Ich bin gekommen, um mir nun ansehen, wie das Geschäft läuft, hinter und vor dem Zaun.
Das Kerngebäude des FCC Florence ist die «Administrative Maximum Facility», eine hochmoderne, sechzig Millionen Dollar teure Lagerstatt für die, wie die Boulevardpresse sie gern nennt, «Schlimmsten der schlimmsten» Häftlinge des Landes. «ADX Florence», das «Alcatraz der Rockies» und «Admax» sind einige der Namen, die man ihm gegeben hat. Eines Tages wird vielleicht John Gotti hierherverfrachtet, Manuel Noriega dagegen nicht. (Er ist Bürger Panamas, und die Regularien
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