Anleitung zum Müßiggang
Produkten ersetzt, die dazu da sind, die Genesung zu überspringen. Die Idee der Genesung war, die Zeit des Krankseins über die eigentliche Krankheit oder Verletzung hinaus auszudehnen und Zeit für eine Phase zuzugestehen, in der man wieder zu Kräften kam. Also: wenn die Grippe gewichen ist, braucht man noch ein paar Tage zur Genesung. Die ganze Idee ist dem Müßiggänger freundlich gesinnt. Wir sollten das Wort wieder in Erinnerung bringen und Untätigkeit mit einer Art Zweck aufwerten. »Was machst du im Moment?« »Habe wirklich alle Hände voll zu tun, ich genese.« Ich nehme an, Genesung hat die gleiche Bedeutung wie Verdauung, nämlich dem Körper eine Zeit der Ruhe zu gestatten, damit er sich von dem Energieaufwand, den er gerade durch Krankheit oder Essen hatte, wieder erholt.
Was geschähe wohl heute mit den Ärzten der Jahrhundertwende, die bei kleineren Unpässlichkeiten lange Perioden der Untätigkeit an der englischen Südküste zu empfehlen pflegten? Heute drehen einem die Ärzte einfach Tabletten an, aber früher gab es mal eine wunderbare ärztliche Verordnung namens »Ruhe- oder Liegekur« – mit anderen Worten, die einzige Möglichkeit, wie wir das kurieren können, ist, dass du so lange wie möglich so wenig wie möglich tust. Als der kränkliche, in Samt und Seide gehüllte Dandy Robert Louis Stevenson 1873 im Alter von 23 Jahren krank wurde, war die Diagnose »nervöse Erschöpfung mit drohendem allgemeinem Verfall«, und die Verordnung war ein Winter an der Riviera »vollkommen frei von Sorgen und Ärger«. (Stevenson schrieb einen hübschen Essay über die Freuden dieser Reise mit dem Titel »Ordered South« [1874].)
In »On Being Idle« erinnert sich Jerome K. Jerome an einen ganz besonderen Krankheitsfall: »Ich war sehr krank und wurde für einen Monat nach Buxton geschickt, mit der strikten Anweisung, nichts, aber auch gar nichts zu tun, solange ich dort war. ›Ruhe ist das, was Ihnen fehlt‹, sagte der Arzt, ›vollkommene Ruhe.‹«
Und nun träumt er von den künftigen Freuden in einer großartigen Schilderung der Wonnen des Krankseins:
Ich malte mir eine wundervolle Zeit aus – ein vierwöchiges Dolcefarniente mit einer Prise Krankheit darin. Nicht zu viel Krankheit, doch gerade genug Krankheit – gerade ausreichend, um ihm den Beigeschmack von Leiden und Poesie zu verleihen. Ich würde spät aufstehen, Schokolade trinken und mein Frühstück in Pantoffeln und Morgenmantel einnehmen. Ich würde draußen im Garten in einer Hängematte liegen und sentimentale Romane mit einem melancholischen Schluss lesen, bis mir das Buch aus meiner schlaffen Hand fiele, und ich würde mich zurücklehnen, verträumt ins dunkle Blau des Firmaments blicken, den Schäfchenwolken zusehen, die wie Schiffe mit weißen Segeln über dessen Tiefen hinwegschwimmen, und dem fröhlichen Gesang der Vögel und dem leisen Rauschen der Bäume lauschen. Oder wenn ich zu schwach würde, um das Haus zu verlassen, würde ich, auf ein Kissen gestützt, am offenen Fenster vorn im Erdgeschoss sitzen und einen geschwächten und interessanten Anblick bieten, so dass all die hübschen Mädchen im Vorübergehen seufzen.
Dass Jerome dann fortfährt, er habe an dem Monat Ruhe eigentlich keine Freude gehabt, weil er am Nichtstun nur Freude habe, wenn er viel Arbeit hat, sollte uns nicht von unserer Überzeugung abbringen, dass das Kranksein seinen angemessenen Platz in der Tagesordnung des Müßiggangs zurückerhalten sollte.
Von Historikern wie Eric Porter und Jenny Uglow wissen wir, dass im achtzehnten Jahrhundert Ruhe und Opium die allgemein üblichen ärztlichen Verordnungen waren. Erasmus Darwin, der berühmte Arzt, Dichter, liberale Renaissancemensch und Vater von Charles, sprach oft von der »Ruhe« als seinem geheimen Charaktermerkmal.
Es war einmal eine Zeit, so scheint es, da wussten wir, wie man krank sein soll. Inzwischen haben wir diese Kunst vergessen. Jeder an jedem Ort lehnt es ab, krank zu sein. Kranksein ist einfach nicht nützlich. Die Zeitungen erschaffen um das Kranksein herum ein Klima des schlechten Gewissens wegen der Zeit, die es der nützlichen, produktiven Arbeit wegnimmt. Wie wir in unserem Kapitel über das Bummeln sahen, sind Überschriften wie »Der britischen Industrie durch Krankheit verloren gegangene Tage« regelmäßig zu sehen. Die Artikel geben einem das Gefühl, dass man sich schlecht benimmt, wenn man krank ist und man den Staat Geld kostet. Krank zu sein ist unpatriotisch und
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