Anleitung zum Müßiggang
beginnen. Lasst uns die Aromen und Düfte regionaler Küchen wieder entdecken und die erniedrigenden Auswirkungen von Fast Food bannen.
Im Namen der Produktivität hat Fast Life unsere Lebensweise verändert und bedroht unsere Umwelt und unsere Landschaften. Slow Food ist darauf die einzige wirklich fortschrittliche Antwort.
Bei wahrer Kultur geht es allein darum, den Geschmack zu entwickeln, nicht ihn verkümmern zu lassen. Und welchen besseren Weg gibt es, dies in Angriff zu nehmen, als durch einen internationalen Austausch von Erfahrungen, Kenntnissen und Projekten?
Slow Food garantiert eine bessere Zukunft.
Die Briten und Amerikaner sind reif für eine Invasion des Slow Food. Lange genug haben wir von Robotern hergestellte Nahrungsmittel hingenommen. Der riesige Erfolg von Eric Schlossers Buch Fast Food Nation (2001) ist sicherlich ein positives Zeichen. Er beschreibt die inhumanen Arbeitsprozesse, mit denen heute Hamburger, Brathähnchen und Pommes frites hergestellt werden, enthüllt einige der erschreckenden Arbeitsbedingungen und Niedriglöhne, unter denen die ungelernten Arbeitskräfte zu leiden haben, die dieses Zeug produzieren. Vielleicht wachen wir allmählich auf.
Wir brauchen mehr Mittagessen wie das Folgende, das ich dem Buch An Angler at Large entnehme, das William Caine 1911 geschrieben hat, als das Tempo des Lebens noch ein wenig langsamer war. Er schildert die Freuden eines Picknicks an einem Flussufer:
Man isst ohne das Gefühl, Zeit zu verlieren. Der Genuss am Essen – ein ganz besonderer Genuss – wird durch kein Gefühl der Sorge wegen des Flusses geschmälert. Man trödelt über der Zigarette, die folgt, und der Zigarette, die dieser folgt. Man hat keine Eile. Fische gibt es nirgends. Man streicht die Fische aus dem Kopf und findet sein Vergnügen am Kauen wie ein Weiser.
Wir müssen das Mittagessen zurückfordern. Es ist unser natürliches Recht. Es ist uns von den Leuten, die uns beherrschen, gestohlen worden. Die Angst, die uns an den Schreibtisch gekettet hält und auf unsere Bildschirme starren lässt, dient nicht unserem Geist. Das Mittagessen ist eine Zeit, in der man vergessen kann, dass man vernünftig, praktisch und effizient ist. Ein richtiges Mittagessen sollte geistig so nahrhaft sein wie körperlich. Gemütlich, gesellig, ein Genuss; das Mittagessen ist etwas für Müßiggänger.
2 UHR MITTAGS
Über das Kranksein
Die Krankheit ist ein Hindernis für den Körper, nicht für den Willen, sofern dieser nicht selbst so will.
Epiktet (um 50 n.Chr. – etwa 138)
Dass Kranksein eine wunderbare Möglichkeit sein kann, verlorene faule Stunden nachzuholen, weiß jedes Kind. Während der Schulzeit lernt das selbstbewusste Kind, dass es nicht arbeiten muss, den ganzen Tag im Bett liegen und sich bemuttern lassen darf, wenn es krank ist. Eine völlig andere Welt als die alltägliche voller Strafen, Beschuldigungen und Pflichten. Plötzlich sind alle sehr nett zu einem. Man darf Comics lesen und fernsehen. Man darf ganz entschieden NICHT zur Schule gehen. Es ist eine Zeit, sich der »köstlichen Trägheit des Sich-gehenlassens« anzuvertrauen, wie es der Schriftsteller Peter Bradshaw 1994 in seinem Idler -Artikel »The Joy of Sicks« formuliert hat.
Kranksein – natürlich nicht lebensbedrohend – sollte auch im Leben Erwachsener als ein Vergnügen, als eine Zeit ohne Verantwortung und Lasten willkommen geheißen werden. Ja, es ist wohl eine der wenigen legitimen Möglichkeiten zum Faulsein, die uns noch geblieben sind.
»Sich krank melden«, fügte Bradshaw hinzu, »ist die einzige Methode, die es berufstätigen Erwachsenen erlaubt, untätig zu sein: Alle anderen Situationen, in denen sie die Kunst legitimer Einsamkeit und Faulheit kultivieren könnten, wurden ihnen geraubt.«
Wenn man krank ist, kann man all den lästigen Mühen aus dem Weg gehen, die das Leben zu so harter Arbeit machen. Man muss sich zum Beispiel nicht einmal anziehen. Man kann in seinem Morgenmantel im Haus herumlatschen wie Sherlock Holmes, Noel Coward oder unser Freund, der Heros der Faulheit, Oblomow. »Der Morgenmantel bot in Oblomows Augen eine Reihe unschätzbarer Vorzüge: er war weich und geschmeidig, er kam ihm nicht in die Quere, er gehorchte der geringsten Bewegung seines Körpers wie ein fügsamer Sklave.«
Wenn man krank ist, ist man der Herr. Man tut, was man will. Man kann zum Plattenspieler gehen und seine alten Clash-Alben auflegen. Aus dem Fenster gucken. Innerlich lachen über die
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