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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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der Zähne, die durch eine bleiche, magere, aufgequollene, schlaffe, fahle Physiognomie ersetzt werden; bläuliche Ringe um die Augen, die eingesunken, apathisch und seelenlos sind; ein trauriger Gesichtsausdruck, trockener Husten, Niedergeschlagenheit und Atemnot bei der kleinsten Anstrengung, das Auftreten beginnender Schwindsucht.
    Der Kern der Opposition gegen »unnützen« Sex war die neue praktische Einstellung zum Leben, die Sex nur für die Produktion von Kindern als nützlich ansah und für nichts sonst. Spaß um seiner selbst willen war untersagt. Das medizinische Establishment kam mit einem breiten Aufgebot grausiger Instrumente zur Hilfe, die die Masturbation bei Jungen und Mädchen verhindern sollten.
    Kataloge der Zeit boten eine ganze Palette stählerner, mit Dornen besetzter Hüftgürtel, für die nur die Eltern oder der Gatte den Schlüssel hatten. Gleichzeitig wurden Sportarten wie zum Beispiel Tennis als gesunde Aktivitäten für junge Damen und als Mittel gepriesen, das vor den Verführungen der Eigenliebe schütze.
    In der modernen westlichen Welt schmeicheln wir uns gern damit, eine aufgeschlossenere Einstellung zum Sex zu haben. Wir sind locker und ungezwungen, jedenfalls denken wir das gern. Doch der Sex hat sich wie so viele andere Freuden in der Konkurrenzmoral verfangen. Er ist schwere Arbeit geworden, etwas, das wir »erfüllen« müssen, ein Wettkampfsport. Die Journalistin Suzanne Moore wies 1995 im Idler darauf hin. In ihrem Artikel erinnerte sie sich an ihre Schulfreundin Janice, die der jungen Suzanne verschiedene erotische Tricks beibrachte:
    Janice versuchte mir einzuschärfen, dass Sex eine Tätigkeit sei, an der man arbeiten, die man üben und für die man Techniken entwickeln müsse: eine riesige Übung in selbständiger Weiterbildung. Sport jeder Art hatte ich noch nie gemocht. Ich war faul. Ich hatte keine Lust … Der »Cosmopolitain« und all die anderen Frauenzeitschriften … sind voll endloser Listen von Dingen, die die Leute im Bett erfolgreich werden lassen, Listen von Tätigkeiten, die wir erkunden, mit denen wir experimentieren sollten.
    Diese Riesenanstrengung ist völlig verkehrt. Da wird Sex zu etwas, was wir lernen müssen. Die Zeitschriften geben uns Hausaufgaben auf. Und wenn wir es nicht kapieren, wenn wir schlechte Zensuren bekommen, dann fühlen wir uns schuldig und unnütz. Fitnessfreak-Popstars wie Geri Halliwell verschlimmern dieses Leiden, ebenso Madonna, die, wie Suzanne Moore sagt, »natürlich der lebende Beweis dafür ist, dass man sich zu viel Mühe geben kann. Durch sie ist Sex so sexy geworden wie Aerobic und zu etwas, das wie der Steppunterricht noch zusätzlich in einen eh schon engen Stundenplan hineingequetscht wird.«
    Kritisch erscheint mir die Lage in den USA, wo der Sex zu einer Mischung aus Religion und Sport gemacht worden ist. Harte Arbeit und gesunder Sex: das sind die Säulen, auf denen das Gros der amerikanischen Wirtschaft ruht. Und man erspare uns bitte das humorlose Tantra-Sextraining von Sting. Moore appelliert leidenschaftlich dafür, die harte Arbeit aus dem Sex zu verbannen. Doch die Frage bleibt: Was ist müßiggängerischer Sex? Wodurch sollen wir das heutige Ideal athletischer Power-Bumserei ersetzen? Nun, Suzanne hat eine Antwort:
    Ehrlich gesagt habe ich nie verstanden, was daran so verkehrt ist, sich hinzulegen und an England zu denken … Wenn Sex so eine große Schinderei wird, eine Liebesarbeit, dann sage ich Ihnen, es ist ihre revolutionäre Pflicht, sich krank zu melden.
    Oh, sich lang ausstrecken und benutzt und missbraucht werden! Das ist sicherlich der heimliche Wunsch des Sex-faultiers. Sex für Müßiggänger sollte schlampig, trunken, obszön und träge sein. Er sollte verrucht, wild und geil sein und so schmutzig, dass es am nächsten Morgen peinlich ist, sich gegenseitig anzusehen.
    Und Müßiggängersex sollte lässig sein. Von Männern heißt es, sie kämen direkt zur Sache, wenn es zum Beischlaf kommt, und Frauen klagen darüber, dass alle Männer nichts weiter wollen, als ihn reinstecken. Aber was mich betrifft, so empfinde ich immer eine leise Enttäuschung, wenn das Herumfummeln zum Ende kommt und der finale Akt beginnt. Es bedeutet, dass das mechanische Element das Steuer übernommen hat, der nützliche Teil, der Teil, beim dem die Babys entstehen. Ein Teil von mir wünscht sich einfach, mit meiner Geliebten tagelang ohne Ende unter dem Lotusbaum oder auf einem riesigen Haufen Samtkissen

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