Anmutig älter werden (German Edition)
kommst du so spät? Ich bin so froh, dass du da bist. Wann fliegst du?«
»Heute Abend.«
»Du kommst jetzt zum Interview«, und er ging weiter.
Ich flüsterte zu Verena: »Er holt doch keine Frau allein zum Interview.« Da wurde ich schon von einer anderen Inderin rausgeholt und in einem Garten vor seinem Haus auf eine Bank gesetzt.
»Was wollte ich ihm alles sagen? Wie geht das in Englisch?« Ich wunderte mich. »Warum holt er mich, wo doch da Tausende sitzen, so inszeniert heraus? Wieso hatte die indische Frau mit der Brosche mich empfangen?« So eine Frau hatte ich im Aschram noch nie gesehen.
Ich musste warten, bis Sai Baba durch den ganzen Tempel gegangen war und Briefe entgegengenommen hatte. Dann kam er mit einem Mann mit Schärpe, einem Moslem, und ging mit ihm ins Haus – mich ließ er sitzen.
Nach einer Weile trat er heraus und winkte mir zu: »You come.«
Ich ging die Treppen zu ihm hoch, stand vor ihm und kam mir riesengroß vor. Es fiel mir auch nicht ein, in die Knie zu gehen. Er drückte mich in einen Sessel, redete mit den anderen Leuten. Endlich holte er mich und sagte: »You have too much pain.« Dann forderte er mich auf, etwas von ihm zurückzutreten, und sah mich genau an. »Warum hattest du so viel Angst in der Vergangenheit und so viel Angst vor der Zukunft? Außerdem hast du immer noch zu viel Gas im Bauch.«
Er schaute meine Hände an und ich dachte, er meinte meinen grünen Smaragdring, als er sagte: »Die sind zu dunkel für dich, magst du Grün?« Er hob seine Hand, drehte sie vielleicht dreimal und hatte einen Ring mit einem hellen grünen Stein in der Hand. Ein überraschter Jauchzer entfuhr mir. Er steckte mir den Ring an den linken Ringfinger und sagte stolz: »Er passt. Ich bin in dem Ring, ich bin immer bei dir.« Er schüttete mir Asche in die Hand, die er in diesem Moment materialisierte. Diese sollte ich sofort essen, es sei gut für meinen Bauch. Dann führte er mich zum Ausgang und sagte: »My home is your home. Please, be happy. Please, be happy. Please, be happy«, und schob mich hinaus.
Ich weiß bis heute nicht, warum er mir diesen Ring präzipitiert hat. Ich habe gesehen, dass er den Ring nicht aus irgendeiner Tasche zog, er hat seinen Arm erhoben, hat seine Hand dreimal in der Luft gedreht und hatte plötzlich den Ring zwischen den Fingern.
Natürlich habe ich mich über die Begegnung und den Ring gefreut.
Als ich in den Aschram zurückkehrte, war ich für die Inder etwas ganz Besonderes. Jeder wollte den Ring sehen. Sie drückten ihn an ihre Stirn und beglückwünschten mich. Danach ging ich zu meinen »Kaschmiri-Jungs«, die konnten es nicht fassen. »Da kommst du zweimal hierher, auch noch zu spät, bekommst ein Interview und einen Ring. Andere kommen zwanzig Jahre und er sieht sie nicht.«
»Ja, ich weiß, wie meine Freundin Anna, und sie liebt ihn trotzdem.«
Die Jungs waren so happy, dass sie mich nachts nach Bangalore zum Flughafen fuhren, die Maschine startete um zwei Uhr in der Früh.
Im Flugzeug konnte ich natürlich nicht schlafen. Vor meinem geistigen Auge erlebte ich die Zeit, die ich in Puttaparthi verbracht hatte. Die Tage bei Dr. Raoh, meine täglichen Massagen, die Yogaübungen auf dem Dach seines Hauses, die Verschmelzung so vieler Nationen und Religionen. Wir alle versuchten, gemeinsam beweglicher zu werden, schlanker, geländegängiger. Das hatte uns vereint.
Noch viel intensiver war dieses Erleben von Gemeinsamkeit im Ashram. Da sitzt du im Tempel, betest neben einem Buddhisten oder einem Hindu, einem Griechisch-Orthodoxen oder Russisch-Orthodoxen, die dort in einer Vielzahl anzutreffen waren. Es gab auch sehr viele Katholiken, Menschen evangelischen Glaubens und bestimmt saß hier und da ein Moslem. Ist das nicht schon eine riesige Völkerverständigung, die da im Tempel geschah? Man konnte hier viele Kroaten, Serben und Kosovo-Albaner treffen, die alle friedlich miteinander umgingen.
Eine Begegnung verschiedenster Nationen und Religionen, die zu Gott beteten, jeder zu seinem eigenen. Dies hatte Sai Baba in Puttaparthi verwirklicht.
Jahre später geschah etwas sehr Eigenartiges. Bei einer Abendgala trug ich den Ring Sai Babas mit anderen Anhängern an einer Kette unter meinem Kleid um den Hals. Sie sollten mich beschützen, weil es für mich immer anstrengender wurde, bei solchen Festlichkeiten unter vielen Menschen zu sein. Als ich die Kette abends im Hotelzimmer abnehmen wollte, hing sie lose um meinen Hals, der Ring Sai Babas
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