Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Brautkleid, rannte gestikulierend und kreischend auf ihn zu. Er hatte keine Ahnung, woher sie kam. Sie war auf einmal da wie vom Himmel gefallen.
Ein Golf mit offen stehender Beifahrertür rauschte heran. Der Golf fuhr bis auf die Höhe der jungen Frau heran. Dann sprang ein Mann aus dem Auto. Er versuchte, die Frau aufzuhalten. Er hatte einen großen Rosenstrauß in der Hand, fiel vor ihr auf die Knie und hielt ihr die Blumen hin.
Sie nahm den Strauß, schlug damit zweimal auf seinen Kopf, ließ die Rosen dann in eine Pfütze fallen und rannte weiter.
Es goss immer noch in Strömen. Der junge Mann im schwarzen Anzug mit glänzenden Lackschuhen folgte ihr noch ein paar Meter, blieb stehen, trat gegen einen imaginären Fußball und fluchte hinter ihr her: »Dann hau doch ab! Glaub ja nicht, dass ich noch länger hinter dir herlaufe! Meine Mutter konnte dich sowieso nie leiden!«
Er sah Rupert komplizenhaft an und sagte: »Ach, ist doch wahr!«
Rupert schwieg und wischte sich die Regentropfen aus dem Gesicht.
Der Bräutigam ging zu seinem Auto zurück, trat die Beifahrertür zu, setzte sich und rauchte wütend eine Zigarette, bevor er den Parkplatz verließ.
Von der Braut war nichts mehr zu sehen.
Rupert stand immer noch da. Er dampfte.
Dann bückte er sich nach den Rosen. Der Strauß sah eigentlich noch ganz gut aus. Drei, vier Blumen waren abgeknickt, aber er schätzte, dass mindestens fünfundzwanzig bis dreißig noch ganz gut waren.
Ja, vielleicht würde dieser Strauß einen Neuanfang für seine Ehe bedeuten. Damit wollte er noch heute Nacht seine Beate um Verzeihung bitten für die Dummheiten der letzten Jahre.
Ich muss Beate mehr in mein Leben einbeziehen, dachte er. Ich muss ihr erzählen von den Dingen, die ich im Dienst tue. Das wird ihren Blick auf mich verändern. Sie soll stolz auf mich sein können.
Er überlegte, was er in letzter Zeit alles gemacht hatte, das berichtenswert war. Etwas, mit dem sie auch vor ihrer Mutter glänzen konnte. Für Frauen war es immer wichtig, dass sie auch ihrer Mutter etwas Tolles über ihren Mann erzählen konnten.
Der neue Fall war gruselig, und er ließ sich durchaus so erzählen, als seien Ann Kathrin Klaasen und Weller damit völlig überfordert, da Ubbo Heide im Krankenhaus lag, musste er ja praktisch alles alleine lösen. Ja. So könnte er es Beate darstellen.
Er legte den Strauß auf den Beifahrersitz, drehte die Radiomusik lauter und gab Gas. Er war nass, und das tat gut, denn er spürte sich.
Erst jetzt merkte er, dass er den Haschischgeruch aus der Studentenbude in Bochum noch in den Kleidern hatte. Jetzt dünstete alles aus, und es roch im Wagen, als hätte er gerade gekifft.
Er drehte das Gebläse der Klimaanlage auf Maximum. Es pustete ihm so richtig ins Gesicht. Ein Gefühl, fast wie am Deich nach einem Regenschauer, dachte er und freute sich auf den Rest seines Lebens.
Eike hatte zwei heiße Backbleche mit Beerdigungskuchen im Ofen.
Der Mann saß hinter ihm in einer Ecke und knabberte Erdnüsse. Das Knistern der Tüte und das Zerkrachen der Nüsse unterbrach die gespenstische Hintergrundmusik für Eikes Preisbacken. Er hatte das Gefühl, hier um sein Leben zu backen. Der Streusel-Butterkuchen musste gelingen, sonst drohte eine harte Bestrafung. Aber Eike war klug genug, um zu wissen, dass am Ende dieses grausamen Spiels ohnehin nur sein Tod vorgesehen war.
Sosehr ihn dieser Gedanke auch erschreckte, er half Eike, mutig zu sein und den Kampf zu suchen. Er musste dieses Duell für sich entscheiden. Er hatte keine Chance, ihm aus dem Weg zu gehen. Die Idee, es könnte eine Versöhnung geben, einen Ausgleich oder eine unblutige Lösung, verwarf Eike genauso wie den Gedanken an Flucht.
Diese grauenhafte Musik, die hier in einer Schleife lief, begann Eike immer mehr als Mozarts Requiem zu empfinden, obwohl er genau wusste, dass dies nicht Mozarts Requiem war. Doch voller Seelenschmerz und Todesahnung machte es ihn kirre. Er hörte Waldhörner heraus, Flöten und Oboen. Ein Fagott. Die Musik schuf eine düstere, bedrohliche und gleichzeitig feierliche Stimmung. Manchmal versank der Mann darin und dirigierte gedankenverloren das Orchester. Er benutzte einen dieser langen Stahlnägel als Taktstock.
»Wenn du den Kuchen ankokelst, kannst du gleich selbst in den Ofen kriechen. Dann verfeuere ich dich nämlich.«
Nie hatte Eike den Geruch von frischen Backwaren ekelhaft gefunden. Heute war es so. Er öffnete die Ofentür, und ein süßlicher Schwall
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