Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
alles gar nicht erzählen. Es ist streng geheim.«
Sie lachte. »Diese Story habe ich gerade im Fernsehen gesehen, du Clown!«
Rupert guckte sie fassungslos an. »Von einer Pressekonferenz wusste ich gar nichts. Das sollte doch …«
Sie fiel ihm ins Wort: »Pressekonferenz? Das war ein Spielfilm! Mir übrigens viel zu gruselig. So etwas brauche ich nicht. Wenn ich fernsehe, will ich ja eigentlich keinen Grundkurs in Chirurgie machen! Das war ein bisschen wie Fortbildung für junge Fachärzte.«
»Was hast du im Spielfilm gesehen?«
»Na, all den Mist, den du mir gerade erzählst. Einer wird gevierteilt.«
»Davon war der Presse nichts bekannt. Die Leiche im Osterfeuer ist natürlich breit durch die Medien gelaufen, das Vierteilen aber haben wir als Täterwissen geheim gehalten, um später mögliche falsche Geständnisse von irgendwelchen Spinnern aussortieren zu können.«
»Und dann, dass jemand auf dem Stuhl angeklebt wurde … Ein anderer wurde im Sarg beerdigt, und als dann noch einer mit zig Nägeln getötet wurde, habe ich ausgeschaltet, weil es mir zu blutig wurde. Und den ganzen Mist erzählst du mir jetzt?«
»Wann war das im Fernsehen?«
»Na, sag ich doch. Heute Abend. Und du hast es auch gesehen. Wahrscheinlich zusammen mit deiner Ingrid. Mach mir doch nichts vor!«
Rupert erfasste noch nicht, welche Bedeutung das alles für ihre Ermittlungen hatte. Er war viel zu sehr bemüht, seiner Frau gegenüber wieder glaubhaft zu werden. Da hatte er allerdings keine Chance.
Der Beerdigungskuchen war noch heiß und duftete, aber Eike bekam ihn einfach nicht herunter. In seinem Mund wurde es immer mehr statt weniger. Unter den gestrengen Blicken seines Peinigers gelang es Eike nicht zu schlucken. Da war etwas wie eine Sperre im Hals, eine Weigerung, etwas zu sich zu nehmen.
Er wartete auf einen Würgeimpuls, doch nicht mal der kam.
Für Eike war es die komplette Niederlage. Sein Körper verweigerte den Gehorsam. Oder war das Ganze eine letzte Form von Auflehnung und Widerstand?
Der Mann dirigierte mit seinem Stahlnagel die Musik. Dabei schloss er sogar ein paarmal kurz die Augen, immer bevor ein »Tatatata« Spannung suggerieren sollte. Jedes »Ta« klickte er auf einer imaginären Taste in der Luft mit seinem Nagel an.
Dann zeigte der Mann auf sein Opfer im Fakirstuhl und forderte Eike auf: »Fütter ihn. Er soll nicht mit leerem Magen von uns gehen.« Irre kichernd fügte er hinzu: »Wir wollen uns doch nicht vorwerfen lassen, er sei bei uns verhungert.«
Eike hob, seine rechte Hand wie einen Tortenheber benutzend, Kuchen vom Blech und kniete sich vor den Verblutenden. Er glaubte, sein Leidensgenosse sei verstorben. Zwar tropfte noch immer Flüssigkeit über den Schlauch in seine Adern, doch er hatte sich seit einer gefühlten Stunde nicht mehr bewegt. Sein Kopf hing schlaff herab. Für Eike war dieser Mann längst tot. Trotzdem kniete er sich vor ihn, doch er schaffte es nicht, ihn zu berühren.
»Nun mach schon!«
Mit links hob Eike vorsichtig den Kopf an, um den Kuchen zu den Lippen zu führen. Da öffnete der Totgeglaubte das linke, blutverklebte Auge, sah Eike an und stöhnte: »Bitte hilf mir, Eike.«
Vor Schreck ließ Eike das Stück Kuchen fallen und zuckte zurück. Er hielt auch den Kopf nicht länger fest, so dass er jetzt wieder herunterbaumelte wie ein Fußball. Der Kopf wippte sogar noch einmal hoch, aber der Gefolterte hatte keine Kraft mehr, sich noch einmal aufrecht hinzusetzen.
Er kennt mich, dachte Eike. Verdammt, er kennt mich! Wer ist das? Was hat das alles zu bedeuten?
»Bist du mit dieser miesen Ratte befreundet?«, fragte der Mann und dirigierte dabei weiterhin. »Wenn du ein vollständiges Geständnis ablegst, könnte ich gnädig sein. Für ihn ist sowieso alles verloren. Für dich noch nicht. Na los, berichte!«
Eike stützte sich mit den Händen auf den Fliesen ab. Er hatte Angst, ohnmächtig zu werden. Ein Schwindelgefühl ließ alles um ihn herum trudeln. Die Wände kamen näher.
Noch einmal bückte Eike sich und versuchte, dem Sterbenden ins Gesicht zu sehen.
Woher kennen wir uns?, dachte Eike.
Dann wurde er hochgerissen, gegen die Wand gedrückt, und bevor er das Bewusstsein verlor, spürte er, dass sein rechter Arm abgebunden wurde.
»Du wirst ihm jetzt Blut spenden«, hallte eine Stimme durch das Schlachthaus. »Der macht sonst einfach schlapp.«
Es nahmen viel mehr Leute an der Einsatzbesprechung teil, als für Ann Kathrin gut gewesen wäre. Sie sah
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