Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
drei Minuten zu beschäftigen, kämen unsere Männer nah genug ran, um einen Zugriff zu riskieren.«
Weller wünschte sich Ubbo Heide geradezu schmerzlich an diesen Tisch. Was würde Ubbo jetzt sagen, fragte er sich, und es war, als käme seine Idee aus Ubbos Mund direkt in sein Gehirn. Weller sagte: »Warum wählen wir nicht einfach die herkömmliche Methode? Wir nähern uns ihm ganz offiziell, wir kesseln ihn ein und unterhalten uns mit ihm über ein gutes altes Megaphon. Keine E-Mails, keine Handys, gar nichts. Wir fordern ihn auf, sich zu ergeben, weil er keine Chance mehr hat, sonst lebend da rauszukommen. Wir stellen ihm ein Ultimatum.«
»Ja!«, freute Rupert sich und wollte schon los.
»Er hat Frau Klaasens Sohn«, warf Jutta Diekmann ein und fügte hinzu: »Sie gucken zu viele Krimis, Kollege Weller.«
»Ich gucke keine Krimis, ich lese sie meistens, weil die geschriebenen häufig wesentlich besser und realitätsnäher sind. Ich habe an mehreren solcher Aktionen teilgenommen und …«
Ann Kathrins Vater war bei so etwas ums Leben gekommen. Jetzt musste sie an ihn denken. Wiederholte sich hier gerade etwas? Würde sie ihren Sohn verlieren, so wie sie ihren Vater verloren hatte? Durch eine Kugel?
Sie bat um ein Glas Wasser. Sylvia Hoppe und Weller stellten ihr gleichzeitig eins hin. Sie trank beide nacheinander leer.
»Wir haben hier und hier an den Straßen Beobachtungsposten. Falls er versucht, das Haus zu verlassen, werden wir augenblicklich reagieren. Solange er drin ist, haben wir Zeit, besonnen zu handeln. In der Tat hat der Vorschlag vom Kollegen Weller auch etwas für sich. Ein offenes Spiel. Wir müssten den Täter besser einschätzen können, um zu wissen, wie er auf Druck reagiert. Frau Klaasen, was glauben Sie? Sie kennen ihn von uns allen am besten.«
Sie schluckte. »Er ist hochintelligent und äußerst phantasievoll. Ein Drehbuchautor. Er hat die Lage mit Sicherheit zigmal durchgespielt. Er plant jeden seiner Schritte voraus, und er hat garantiert immer einen Plan B und einen Plan C, um flexibel reagieren zu können. Vermutlich ahnt er, dass wir jetzt seine Identität kennen. Schließlich weiß er, dass sein Film ausgestrahlt wurde. Ich glaube, dass wir mit ihm verhandeln können. Er fühlt sich sicher und stark. Weil er glaubt, dass er uns überlegen ist, wird er sich auf ein Gespräch einlassen. Er denkt, dass er uns austricksen, ja, dass er uns vorführen kann. Es ist wie ein intellektuelles Spiel, bei dem er die Oberhand behalten will.«
Sylvia Hoppe meldete sich zu Wort: »Wer sagt uns überhaupt, dass er es ist?«
Mit einer schneidenden Bemerkung, als sei es ihr peinlich, dass eine Mitarbeiterin ihres Teams so etwas Dummes gesagt hatte, fuhr Jutta Diekmann Sylvia Hoppe an: »Niemand sonst konnte die Tat begehen! Man musste den Film kennen, um …«
»Jaja, schon klar«, verteidigte Sylvia Hoppe sich. »Aber so einen Film kennt doch nicht nur der Drehbuchautor. Im Grunde müssten wir alle Schauspieler, die mitgespielt haben, genauso verdächtigen. Den zweiten Beleuchter, den Kameramann …«
Ihr fiel so schnell nicht ein, wer sonst noch bei einem Film mitmachen könnte.
»Vielleicht wurde er sogar ein paar Kritikern vorab gezeigt. Es stehen ja schon Fernsehkritiken in der Zeitung, bevor ein Film ausgestrahlt wird. Also müssen einige Leute ihn vorher kennen, und der Kreis der Verdächtigen ist viel größer, als wir denken …«
»Mag sein, Sylvia«, sagte Ann Kathrin. »Aber Johannes Klar ist der Exfreund von Ines Küppers. Und er kannte Willbrandt. Es spricht vieles dafür, dass er die zentrale Figur ist …«
»Er hat sich zunächst«, erklärte Weller, »hineingesteigert, das Ganze als Film zu machen, und jetzt versucht er, seine Phantasie auszuleben.«
»Hat denn einer von euch«, fragte Sylvia Hoppe in den Raum, »den Film überhaupt gesehen?«
Sie sah sich um. Betretenes Schweigen.
Auch wenn es Sylvia Hoppe nicht gefiel, gab sie damit Einsatzgruppenleiter Schilling recht. Sie mussten sich diesen Film anschauen. Auch, wenn das Ganze für Ann Kathrin kaum erträglich war.
Weller wollte sie rausbringen, doch sie bestand darauf zu bleiben.
»Wir haben«, sagte Einsatzgruppenleiter Schilling nicht ohne Stolz, »einen Kollegen vor Ort …«
»Wir haben was?«, stöhnte Ann Kathrin.
Ein kurzer Film wurde eingespielt. Ann Kathrin war nicht klar, ob dies Liveaufnahmen waren oder ob der Film vor ein paar Stunden gedreht worden war. Eine wacklige Kamera zeigte das
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