Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
zeigen. Erst nach seiner Androhung, er könne auch jederzeit mit dem Staatsanwalt wiederkommen, wurden die Ketten gelöst, und die Tür öffnete sich einen Spalt.
Er sah in das Gesicht einer Frau, die er auf Ende vierzig, Anfang fünfzig schätzte und deren Schönheit ihm die Sprache verschlug. Sie war eine Wasserstoffblondine und trug eine dieser Frisuren, die es eigentlich nur noch in Filmen aus den Sechzigern gab. Sie benutzte einen kirschroten Lippenstift und dazu ein dezentes Make-up. Ihre Augen wirkten auf Rupert groß, warm, wach und liebevoll. Er hätte sie, ohne zu zögern, sofort gegen Beate eingetauscht.
Dörthe Leuschner ließ ihn herein und erklärte: »Wir müssen vorsichtig sein. Es hat in letzter Zeit ein paar Vorfälle gegeben. Wir hatten Schwierigkeiten mit Männern, die die Realität nicht akzeptieren konnten.«
»Wie soll ich das verstehen? Hat jemand versucht, Sie auszurauben?«
Sie lächelte. »Nein, darum ging es wohl weniger.«
Sie bot ihm einen Kaffee an. Er hätte zwar lieber noch einen Tee gehabt, doch er genoss es, ihr an der Kaffeemaschine zuzusehen, die sie mit geradezu sinnlicher Feinfühligkeit bediente.
Dörthe Leuschner gab ihm die erste Tasse, nahm sich selbst die zweite, und es gefiel ihm, dass ihr Lippenstift am weißen Tassenrand eine eindeutige Spur hinterließ.
Sie nahm ein Stück Würfelzucker, er lehnte Milch und Zucker ab.
Alles war in Schwarzweiß oder glänzendem Silber gehalten. Es gab einen Schreibtisch mit einem großen Rechner drauf. Daneben lagen ein paar Blatt Papier und zwei geschlossene Briefumschläge. Die kleine Sitzecke, mit kaltem, schwarzem Leder überzogen, fand Rupert wenig einladend, doch sie bot ihm dort einen Platz an, setzte sich ihm gegenüber und schlug die Beine so übereinander, dass er das Knistern ihrer Nylonstrumpfhose zu hören glaubte.
»Haben Sie Anzeige gegen die Leute erstattet, die Ihnen hier Schwierigkeiten machen?«
»Nein, das haben wir nicht. Wir versuchen, das alles friedlich und in gegenseitigem Einverständnis zu lösen. Weshalb kommen Sie, Herr Kommissar? Hat uns jemand angezeigt?«
»Hätte denn jemand einen Grund dazu?«, konterte Rupert.
Sie lächelte ihn nur an und nahm noch einen Schluck Kaffee. Offensichtlich war ihr der Kaffee zu bitter, denn aus einem kleinen Schälchen nahm sie ein zweites Stückchen Würfelzucker und ließ es hineinfallen.
Am liebsten hätte Rupert sie gefragt, wie sie bei dem Zuckereinsatz so eine schlanke Linie behalten konnte, aber er bemühte sich um Professionalität.
»Wir haben in Norden eine Leiche gefunden. Christoph Willbrandt. Und der wurde von Ihrer Agentur beschattet. Wir möchten gerne den Namen des Auftraggebers.«
Dieses Lächeln musste sie lange geübt haben. Es spiegelte ein bisschen ein säuerliches Beleidigtsein wider. Dann schüttelte sie den Kopf: »Aber Herr Kommissar! Wir legen auf den Schutz der Privatsphäre unserer Kunden größten Wert. Wenn herauskommen würde, dass wir …«
Rupert stellte die Tasse hart auf den Tisch und erhob sich. »Okay.« Er zog den richterlichen Beschluss hervor, knallte den Zettel auf den Tisch und sagte: »Hiermit beschlagnahme ich alles und beginne jetzt mit der Durchsuchung. Ich werde von hier aus ein paar meiner Kollegen anrufen, und glauben Sie mir, die leisten dann ganze Arbeit. Es wird eine ganze Weile brauchen, bis Sie hier wieder Ordnung reinkriegen. Wenn überhaupt. Ich kann Ihnen auch nicht garantieren, wie lange wir Ihre Akten und Computer benötigen werden. Ein paar Wochen kann so etwas schon dauern, vor allen Dingen, wenn wir nicht alle Passwörter haben.«
»Aber nicht so impulsiv, Herr Kommissar! Nun setzen Sie sich doch wieder. Also, wer wird denn hier gleich in die Luft gehen wie das HB -Männchen?« Sie kicherte. »Erinnern Sie sich noch an das HB -Männchen? Heutzutage darf man ja in öffentlichen Räumen nicht mehr rauchen. Wie steht es mit Ihnen? Rauchen Sie noch?«
»Glauben Sie, Sie können mich damit bestechen, dass Sie mir jetzt hier eine Zigarette anbieten?«
Es gefiel Rupert, ihr zu zeigen, dass er ein scharfer Hund sein konnte, mit dem nicht zu spaßen war. Er genoss es, dass er alleine hier war und sich den Auftritt nicht mit einem Kollegen teilen musste.
»Ich suche Ihnen den Namen sofort raus. Ich bitte Sie aber, diskret zu sein, Herr Kommissar.«
Er setzte sich wieder und trank von dem Kaffee.
»Worum ging es in der Sache Willbrandt?«
»Nun, eigentlich sind wir keine richtige Detektei. Sie wissen
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