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Ann Pearlman

Ann Pearlman

Titel: Ann Pearlman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apfelblüten im August
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Kindergarten.
    »Ich möchte zurück nach Kalifornien. Ich vermisse Daddy«, sagt sie eines Sonntagmorgens.
    »Er ist nicht in Kalifornien, Schätzchen. Er ist in unserer Erinnerung und in unserem Herzen. Aber ich vermisse ihn auch«, erkläre ich ihr und ziehe sie an mich.
    »Und ich vermisse Levy und Tara und Aaron.«
    »Und Allie und Smoke«, ergänze ich.
    Sie wendet mir den Rücken zu, und ich drehe sie zu mir.
    »Na ja, dagegen können wir was machen – wir besuchen sie einfach«, sage ich und küsse sie auf die Stirn.
    Wir fahren nach Detroit, gehen zum Eastern Market, essen mit Tara, Levy, Aaron und Sissy zu Mittag, dann gehen wir im verlassenen, einsamen alten Detroit spazieren. Manchmal kommen Tara, Aaron und Levy auch zu uns und übernachten in unserer Wohnung. Am nächsten Morgen stehen wir auf, besuchen Kerrytown oder gehen ins Natural History Museum.
    Unglaublich – Tara ist meine beste Freundin geworden.
    Seit Troys Tod sind inzwischen zweieinhalb Monate vergangen. Ich liste meine Fortschritte auf.
    Manchmal lache ich.
    Rachel und ich machen einen Schwimmkurs, und Rachel kann tatsächlich schon durchs ganze Kinderbecken paddeln. Vielleicht wird sie mal springen wie Troy. Vielleicht auch nicht, das wäre auch in Ordnung.
    Im Fitnessraum unseres Wohnkomplexes lerne ich Paul kennen. Er läuft mit gazellengleicher Anmut auf dem Laufband, in seinem Gesicht zeichnet sich kein bisschen Schmerz ab. Ich beobachte ihn verstohlen, und die Leichtigkeit seiner Bewegungen ist mir angenehm. Er wohnt zwei Stockwerke unter mir, und eines Abends lädt er Rachel und mich zum Essen ein. Boeuf Bourguignon, selbst gebackenes Mehrkornbrot, zum Nachtisch eine Mandeltorte.
    »Das hab ich nicht erwartet«, sage ich. »Du bist ja ein richtiger Gourmetkoch!«
    Er zuckt die Achseln. »Ich vermisse es, für meinen Partner zu kochen. Er hat mich vor ungefähr einem Monat verlassen.« Paul und ich treffen uns öfter. Nachmittags, wenn Rachel in der Betreuung ist und ich nicht arbeiten muss, gehen wir manchmal zusammen ins Kino. Wenn er jemanden sucht, an dem er seine Kochkünste testen kann, stehen Rachel und ich immer gerne zur Verfügung. Glücklicherweise gehört Rachel zu den probierfreudigen Kindern.
    Das alles passiert nicht, weil ich mir »um jeden Preis« ein Baby gewünscht habe. Ich habe Troy auch nicht mit dem Keim angesteckt, an dem er gestorben ist. Ich bin nicht unweigerlich an allem schuld und dazu verdammt, alle Menschen zu verlieren, die ich liebe. Das Schicksal oder Gott, oder wie man es nennen mag, hat es nicht darauf abgesehen, mich zu vernichten.
    Ich halte am Gallup Park und beobachte eine Familie, die hier einen netten Nachmittag verbringt. Ein Dad, eine Mom und ein kleines Mädchen, etwas älter als Rachel, vielleicht fünf, überqueren den Fluss auf einer Fußgängerbrücke, sehen die Karpfen an, die sich in Erwartung von Brotkrümeln unter der Brücke zusammenrotten. Die Tochter deutet auf die Fische, der Vater nimmt sie auf den Arm, damit sie übers Geländer schauen kann. Die Mutter lacht und kommt näher, beugt sich über den Rand.
    Auf einmal werde ich wütend. Warum habe ich meinen Geliebten verloren? Ich hasse diese Leute. Dann hasse ich mich selbst, weil ich so neidisch bin.
    Daran denke ich, als ich Rachel zur Betreuung fahre. Sie sitzt neben mir im Autositz und hört eine CD, die früher Tara gehört hat. Ich setze Rachel ab. Ihr Rucksack hängt über ihren schmalen Schultern, und sie schwingt eine rosa Handtasche, in der ein Spielzeughandy und ein paar Steine sind, die sie an den Blumenbeeten gesammelt hat. »Ich wünsch dir einen schönen Tag«, rufe ich ihr nach.
    An der Tür dreht sie sich um und lächelt mir zu. »Bye, Mom!«
    Ich fahre über den Parkplatz und suche eine Lücke. Da gebaut wird, trennt ein Maschendrahtzaun die einzelnen Bereiche. Der Platz ist schlammig von dem kalten Regen der letzten Tage, ein ins Ocker gehendes Braun. Ich komme zu dem Zaun, wende im Schlamm und suche einen Weg hinaus. So bewege ich mich eine ganze Weile durch den Morast, kollidiere mit Zäunen, wende, fahre ein Stück, nur um in der nächsten Sackgasse zu landen. Kurz überlege ich, den Maschendraht einfach umzufahren, aber ich möchte keinen Ärger. Dass ich in der Falle sitze, überrascht mich nicht, ich bin auch weder frustriert noch panisch. Ich weiß sowieso nicht, wo ich hinfahren soll, denn ich muss heute nicht arbeiten.
    Schließlich biege ich nach links ab und bin plötzlich auf der Hauptstraße,

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