Ann Pearlman
an dir habe.« Aaron kneift die Augen zusammen. »Aber ich weiß es, Baby. Er hat Angst vor uns, er fürchtet die Konkurrenz. Versucht uns zu schwächen, indem er uns auseinanderbringt, verstehst du?«
Wieder zucke ich die Achseln. Ich weiß nicht, ob Aaron Kings Strategie wirklich durchschaut oder ob er nur versucht, seinen Spielchen möglichst rasch einen Riegel vorzuschieben. Vielleicht möchte er die Sache so hindrehen, dass es aussieht, als ginge es nicht um mich, sondern um ihn, um Aaron. »Ich war nicht sicher, ob er mit mir schlafen oder Musik machen wollte.«
»Beides. Er will beides. Nur allzu verständlich.« Er sagt das, als wäre er mein Freund, nicht mein Lover.
Der Mann mit der Baseballkappe ist von der L. A. Times und möchte Special interviewen. Während sie sich unterhalten, hole ich mir was von dem Grillhähnchen und den Babykarotten. Seit dem Lunch mit den Kindern im Small World Café habe ich nichts mehr gegessen.
T-Bone hält sich ein bisschen abseits. Den Daumen in den Hosenbund gehakt, an einen Pfosten gelehnt, einen hübschen Cocktail in der Hand, so beobachtet er, was abgeht. Drei Frauen stehen um ihn herum, eine davon mit weiß gefärbten Haaren und falschen Titten und Jeans, die so tief sitzen, dass man freie Aussicht auf ihren Bauchnabelring hat. Eine andere fährt mit der Fingerspitze über den Rand von T-Bones Ohr. Die dritte starrt mich mit ihren grünen Kontaktlinsen und fal schen Wimpern an, als würde es ihre Einfühlsamkeit beweisen, wenn sie das anglotzt, was T-Bone sieht. Er schaut mich an, während er überlegt, was er jetzt tun will. Er ist eindeutig der Hübscheste der Gruppe, und zum ersten Mal frage ich mich, ob er womöglich bisexuell ist. Er ist so makellos schön. Vielleicht würde er mich aber auch umbringen, wenn er wüsste, dass ich so was denke.
Allie unterhält sich mit Smoke. Der Mann von der L. A. Times kommt rüber zu mir und fragt mich nach meiner Ausbildung. Wie sich herausstellt, kennt er sich mit klassischer Musik aus und hat die Passagen aus dem Requiem erkannt. Ich erzähle ihm das, was ich allen erzähle: Ich bin in Ann Arbor aufgewachsen, Mittelschichtskind, und mein Dad hatte genug Geld, um mir den Musikunterricht zu bezahlen. Ich hatte Glück. Allerdings waren die Musikstunden das Einzige, was mein Dad mir je gegeben hat. Den Musikunterricht und seine Gene.
Ich bin mir nicht mal sicher, ob mein Vater weiß, was ich jetzt mache. Levy hat er nur ein einziges Mal gesehen. Aber den Musikunterricht weiß ich zu schätzen.
Inzwischen hat die Menschenmenge gekriegt, was sie wollte. Vielleicht merken die Leute auch, dass mehr nicht zu holen ist. T-Bone verschwindet mit den drei Mädels, und auch Red Dog geht mit ein paar Frauen weg. Smoke ist verheiratet und hat eine kleine Tochter, er macht nicht rum. Jedenfalls soweit ich weiß. Vermutlich wird in mir immer ein Rest Misstrauen bleiben, dass jeder Mann so ist wie mein Vater. Jetzt sind nur noch Sissy, Allie, Aaron, die Kids und ich da. Die Kids ziehen an den Vorhangseilen. Dann essen sie die Überbleibsel vom Hähnchen und ein paar Schokoriegel. Nach diesem Zucker- und Koffeinkonsum sind sie bestimmt die ganze Nacht wach.
Ich hole tief Luft und frage noch einmal nach Troy.
Allie schaut zu Sissy und schüttelt den Kopf.
»Es ist halb eins«, sagt Sissy.
»Ich denke, sie sind noch auf, ruf doch einfach an«, entgegnet Allie.
Ein ruhiges Eckchen zu finden ist nicht schwer. Ich gehe einfach in die Garderobe, hebe Rachels Stoffhasen Maddie auf, nehme ihn auf den Schoß und wähle Moms Nummer.
Sie geht sofort dran, als hätte sie schon auf meinen Anruf gewartet.
»Wie geht’s Troy?«
»Wie war das Konzert? Ich wäre so gern dabei gewesen.« Ihre Stimme klingt leise und weich.
»Gut. Toll. Das beste Konzert, das wir bisher gegeben haben. Aber was ist mit Troy?«
Ich höre, wie sie tief Luft holt. »Er ist von uns gegangen, Tara. Vor zwei Stunden«, haucht sie.
Als wir den Song über Detroit gesungen haben?
»Sky und ich sind noch bei ihm. Und seine Eltern sind auch hier.«
»Konnten sie noch mit ihm sprechen?«
»Kurz nach ihrer Ankunft ist er ins Koma gefallen. Als hätte er nur noch auf sie gewartet.«
»Ich sollte zu euch kommen.«
»Nein. Kümmere du dich um Rachel, und wir bleiben hier, bis sie ihn zur Einäscherung bringen.«
Mein erster Gedanke ist, dass Rachel sich von ihrem Vater verabschieden muss. Andererseits wäre das womöglich traumatisch für sie. Ich habe das Gefühl, in so
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