Ann Pearlman
Gefühl, ihn zu verlassen.
Unser gemeinsames Leben erscheint mir so weit weg. Und gleichzeitig, als wäre ich noch vor einer Minute mittendrin gewesen.
Rachel sitzt hinten. Als ich mich zu ihr umdrehe, hat sie Maddie auf dem Schoß, Monkey und Turtle sitzen ihr gegenüber. Maddie spielt Lehrerin und erklärt den Kuscheltieren, dass sie brav sein müssen. Pipi und Kaka ins Töpfchen. Rachel hat das Sauberkeitstraining so gut mitgemacht, obwohl ich mich so wenig darum gekümmert habe. Ich muss sie mehr loben und unterstützen.
Wir fahren an einer Frau vorbei, die am Straßenrand steht. Zuerst denke ich, sie trampt oder bettelt. Aber als wir näher kommen, sehe ich, dass sie im mittleren Alter ist, Hose mit Bügelfalten, bedruckte Bluse, ordentlich frisierte Haare. Sie hält ein Banner in die Höhe, auf dem steht: Du musst dich selbst respektieren, um von anderen respektiert zu werden .
Dann liegt die Stadt hinter uns, wir sind auf der Interstate 40 und kommen an einem Schild vorbei, das anzeigt, dass es noch 2550 Meilen bis Wilmington in Delaware sind. Bis zur anderen Seite des Kontinents. Vom Pazifik zum Atlantik. Neben dem Highway wächst struppiges, staubiges Buschwerk.
»Ich weiß, dass es dir nicht gefällt, aber es wird alles gut« , sagt Maddie.
Mit piepsiger Stimme antwortet die Schildkröte: » Nein, das stimmt nicht! Das stimmt nicht ! Das stimmt nicht! « Aus dem Rückfenster kann ich den Umzugswagen erkennen, und als wir um die Kurve fahren, sehe ich auch den Bus mit Tara, Special Intent, Red Dog, T-Bone und Thumble. Was für seltsame Namen, wie Charaktere aus einer Fantasiewelt, genauso bizarr wie das, was in Rachels Gedanken vorgeht und was Turtle und Maddie zum Reden bringt.
Das alles denke ich, während ich durchs Autofenster auf die kurvige Straße schaue. In der Luft hängt noch der Dunst von L. A., die Landschaft ist beherrscht von rostigen Stromleitungen.
Ich bin froh, dass Tara im Tourbus mitfährt. Zuerst dachten wir, Frauen und Kinder sollten zusammen in einem Fahrzeug sein, aber Tara wollte bei Aaron bleiben. Vielleicht wechseln wir später, aber momentan bin ich sehr zufrieden, dass nur Rachel und Allie mit mir in meinem schwarzen Honda Accord sitzen. Er hat erst fünfzigtausend Meilen auf dem Tacho, und der Motor ist vor einem Monat neu eingestellt worden, also müsste er die Reise problemlos bewältigen.
»Wie geht’s dir denn?«, fragt Allie. Normalerweise unterhalte ich mich gern mit ihr, aber jetzt sehe ich lieber in die Spiegel, um mich zu vergewissern, dass meine Möbel und meine Klamotten immer noch hinter mir sind.
»Ich weiß nicht.« Ich schaue aus dem Beifahrerfenster.
»Es wird besser werden.«
»Das sagen alle.« Troys Urne steht auf meinem Schoß, und ich lege beide Hände darauf.
Sogar Allie, die für gewöhnlich immer einen klugen Ratschlag parat hat, weiß nicht, was sie sagen soll. Also starrt sie auf die gelbe Linie. Es ist topfeben hier, quaderförmige Heu bündel lagern übereinandergestapelt auf den Wiesen, mit blauer Plane abgedeckt für den unwahrscheinlichen Fall, dass es regnet.
Ich werfe wieder einen Blick zurück zum Möbelwagen und bin beruhigt. Als wäre Troy dieser mit Sofa, Fernseher, Büchern, Computer, Klamotten, Spielsachen, Hochstuhl, Matratze, Esstisch und Kinderbett beladene Truck. Vielleicht wenigstens Troys DNA , winzige Partikel auf der Matratze, auf dem Sofa. Vermischt mit meiner. Vielleicht ein Schnipsel von einem Fingernagel. Ich habe seine Bürste von der Badkommode genommen, sie war noch voller Haare. Sie riecht nach ihm. Ich sah ihn wieder vor dem Spiegel stehen, wie er seinen Wirbel zu glätten versuchte und sich beklagte, dass er kahl wird. Aber er war natürlich nur ein Bild in meiner Vorstellung und ist sofort wieder verblasst. Und ich stand da mit seiner Bürste. Ich habe versucht, sie in der Box mit seiner Asche unterzubringen, aber da passt sie nicht rein.
Allie bewundert die Landschaft. Auf mich macht sie einen eher trostlosen Eindruck. Südkalifornien im Winter, ohne Hoffnung auf die reinigende Kraft des Schnees.
Wieder schaue ich zurück und suche den Möbelwagen. Er ist noch da.
»Alles in Butter. Deine Sachen sind okay. Ich habe den Eindruck, dass Smoke ein sehr umsichtiger Fahrer ist«, beruhigt mich Allie.
Dass Smoke fährt, tröstet mich. Ich starre aus dem Fenster. Keine Ahnung, wie lange, wie viele Meilen ich einfach nur starre.
Dann klingelt mein Handy. Es ist Mom, die sich erkundigt, wie es mir geht. Sie
Weitere Kostenlose Bücher