Ann Pearlman
möglich ist. »Ich muss mich um meine Schwester kümmern, und um meine Familie … na ja … meine Familie zählt auf mich. Ich brauche Zeit zum Nachdenken. Kannst du mir ein bisschen Luft lassen, während ich das für mich kläre?«
Er lässt die Hand über meinen Arm gleiten, und ich spüre ein elektrisches Prickeln. Dann nickt er. »Du hast ja meine Nummer. Aber ich bin genauso ungeduldig wie du unberechenbar.«
»Kannst du mir einen Monat geben? Ich muss die Tour hinter mich bringen, ich muss meiner Schwester und ihrer Tochter beim Umzug helfen. Und sonst noch alles Mögliche regeln.« Ich mache eine Kopfbewegung zum Rest der Crew. »Wenn ich so weit bin, ruf ich dich an.«
Smoke beobachtet uns.
T-Bone ebenfalls.
Red Dog schaut von mir zu Aaron.
Ich habe Aaron vor der ganzen Crew respektlos behandelt. Nein, vielleicht respektieren sie mich jetzt mehr, denke ich, hole tief Atem und straffe die Schultern. Vielleicht sehen sie mich jetzt endlich als ernstzunehmende Künstlerin und nicht nur als Anhängsel, das Aaron ihnen aufgezwungen hat.
Aber nicht, solange King meine Hand hält und den Eindruck vermittelt, es könnte hier eher um Sex gehen. Nicht, solange er mich mit seinen dunklen Augen so ansieht und sich auch noch über die vollen, mit Sommersprossen gesprenkelten Lippen leckt. Eine Geste, die ich von Troy kenne.
Ich lasse seine Hand los und trete einen Schritt zurück.
In dieser Nacht sage ich zu Aaron: »Hast du vor, dich wie ein Arschloch zu benehmen? Willst du mit einer anderen Frau flirten und rummachen, damit alles schlimmer wird? Ich kann mir jederzeit einen anderen Kotzbrocken suchen, der mich betrügt.« Ich will keinen bösen Jungen. Ich will einen guten Mann, einen, der mich liebt, der ehrlich zu mir ist. Obwohl mir genau das ja auch am meisten Angst einjagt. In gewisser Weise ist eine Beziehung mit einem Blödmann einfacher. Dann läuft man wenigstens nicht Gefahr, sich Hoffnungen zu machen.
»Sieht ganz danach aus, als hättest du schon einen Neuen in petto«, brummt er. Ich wende ihm den Rücken zu und will ins Bett steigen, aber er packt mich an der Schulter und dreht mich zu sich um. »Ich bin hier, oder etwa nicht?«
»Er will einen Star aus mir machen.«
»Ich möchte, dass wir beide Stars werden«, stößt er abgehackt hervor.
»Ich hab ihm gesagt, er soll mir Bedenkzeit lassen. Ich bin nämlich auch hier.« Ich hab gedacht, Aaron wäre der Mann, der mich für immer liebt. Sky hat das auch gedacht, und Troy ist gestorben. Die Männer sterben oder gehen weg, man kann sich nicht auf sie verlassen. Wieder einmal muss ich an das Gespräch denken, das Sky und ich auf dem Magic Mountain geführt haben.
»Der Typ soll lieber aufpassen. Er tritt mir auf die Füße.«
»Ich bin nicht dein Territorium. Er will mich weiterbringen, mir helfen, ich zu sein«, entgegne ich, den Finger auf meinen Brustkorb gerichtet. »Es ist ein Geschäftsangebot.«
Ich weiß, Aaron hat Angst, dass wir nicht das werden, was wir uns erträumt haben, dass ich nicht an seiner Seite bin. Ich bin lebenswichtig für unser Projekt. Für ihn gehöre ich fast so dazu wie er selbst. Ich frage mich, ob es dieses »fast« ist, das uns auseinanderbringen könnte. Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, und ich weiß, dass ich an einem Schlüsselmoment angekommen bin. Zum ersten Mal werden wir richtig auf die Probe gestellt.
»Nach dem, was ich heute Abend beobachtet habe, vertraue ich dir sowieso nicht mehr«, sage ich leise. Wie soll jemand, der einen Vater wie meinen hat, überhaupt irgendeinem Mann vertrauen? Aber ich habe nicht vor, unsere Beziehung einfach wegzuwerfen. Ich möchte sehen, wo das alles hinführt. Deshalb füge ich hinzu: »Ich liebe dich.« Nicht leichthin, wie wir diese drei Worte jeden Morgen und jeden Abend sagen, wenn wir sie ungefähr so benutzen wie Hallo und Tschüss. Nein, jetzt sage ich sie ganz langsam und bedächtig, strecke die Hände aus und berühre Aarons Gesicht. Und wiederhole: »Ich liebe dich.«
Da nimmt er mich in den Arm und drückt mich so fest an sich, als wollte er alles wegmachen, was uns trennt.
Am nächsten Tag fahre ich zurück nach L. A., um Sky beim Packen zu helfen. Allie besucht gerade eine Freundin. Mit den Spielsachen fange ich an, Levy und Rachel helfen mir. »Möchtest du das mitnehmen?«, frage ich bei einem nicht mehr funktionsfähigen Sesamstraßen-Stehauf-Teil. Rachel nickt, und Levy wirft es in die Kiste. Ich versuche, ein bisschen Spaß in die Sache
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