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Ann Pearlman

Ann Pearlman

Titel: Ann Pearlman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apfelblüten im August
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würde sie niemand mehr zur hübschesten Mutter wählen. »Erzähl mir von deinem Tag«, sagte sie und lächelte.
    Ich wandte mich ab, nahm mir eine Dose Limo und riss sie auf.
    »Wie war es in der Schule?«
    Ich trank meine Limo.
    »Könntest du mir auch eine Dose geben, bitte?«
    Widerwillig ging ich zum Kühlschrank, holte noch eine Dose und hielt sie ihr hin, aber sie zuckte nur mit den Achseln. Da sie Tara auf dem Arm hatte, konnte sie die Dose nicht aufmachen. Also öffnete ich sie. Dann setzte ich mich so auf meinen Stuhl, dass ich nicht mit ansehen musste, wie Taras gieriger Mund Mom verschlang, die gespreizte Hand auf Moms Brust gedrückt. Mom lächelte und legte den Kopf in den Nacken. »Aaah.« Ganz entspannt und friedlich, als hätte sie die ganze Zeit auf diesen Moment gewartet.
    In früheren Zeiten hatten wir uns nach der Schule auf die Couch gekuschelt und erzählt. Oder etwas gespielt.
    »Hast du Hausaufgaben?«
    Sie stellte mir Routinefragen, und ich gab mechanisch Routineantworten. Ja. Nein. Egal. Ein bisschen Mathe, aber das mach ich nach dem Essen.
    »Soll ich dich bei den Buchstabierwörtern abfragen? Hast du nicht morgen einen Test?«
    »Meinetwegen.«
    Während Tara in ihrer Wippe lag, am Finger nuckelte, schaukelte, uns beobachtete und schließlich einschlief, machten wir Abendessen.
    Ich deckte den Tisch. Mom schaute auf die Uhr. »Ich frage mich, wo er bleibt. Er weiß doch, dass ich noch mal zur Arbeit und den Laden abschließen muss.«
    Ich wusste längst Bescheid. Kinder haben noch nicht gelernt, unangenehme Wahrheiten vor sich selbst zu verbergen. Abgesehen von seinem Job machte Stephen nie, was man von ihm erwartete. Und sein Job schien größtenteils darin zu bestehen, dass er andere Leute dazu brachte, Dinge zu kaufen, die sie wahrscheinlich nicht wirklich brauchten. Schon als Kind hatte ich das durchschaut.
    Mom versuchte Stephen auf dem Handy zu erreichen, aber er ging nicht dran. Deshalb ließ Mom mich an diesem Abend allein zu Hause – an dem Abend, an den ich mich jetzt erinnere, wo ich allein auf der Entbindungsstation liege, nachdem man mein totes Baby weggebracht hat.
    »Ich muss gehen. Aber Stephen müsste jeden Moment hier sein.«
    Ich verdrehte die Augen, aber Mom tat, als würde sie es nicht bemerken.
    »Du weißt doch, wie man die Milch warmmacht, oder nicht? Im Kühlschrank steht schon ein Fläschchen bereit.« Sie öffnete den Kühlschrank und zeigte mir vier Babyflaschen.
    »Du kommst doch zurecht, ja?« Sie hatte dunkle Ringe um die Augen. Plötzlich bemerkte ich die dunklen Haarwurzeln zwischen den hellen Strähnchen.
    »Klar.«
    »Ich bin gleich um die Ecke. Du weißt die Nummer, ja?«
    Ich nickte.
    Sie packte einen Lippenstift und schmierte sich ohne Spiegel etwas davon auf den Mund. »Einigermaßen okay?«
    »Ja«, log ich.
    »Du wirst das schaffen, und ich bin wieder da, sobald ich kann.«
    »Ja«, log ich noch einmal.
    »Ruf mich an, wenn du mich brauchst.«
    Dann war sie weg.
    Tara schlief, und ihr Kopf hing auf ihrer Schulter, als hätte sie sich den Hals gebrochen. Ihr Zeigefinger war noch feucht vom Nuckeln. Ich nutzte die Gelegenheit, sie aus nächster Nähe zu betrachten, und suchte Mom in ihren Gesichtszügen. Aber ich konnte nur Stephen entdecken in ihren Brauen, ihrer geschwungenen Oberlippe und dem spitzen Haaransatz. Ein herzförmiges Gesicht, so nannte man das wohl.
    Ich stellte die Bill Cosby Show im Fernsehen an und wickelte mich in eine von Mom gestrickte Wolldecke – die Decke, unter der wir uns früher immer zusammengekuschelt hatten –, schlang die Arme um die Knie und steckte mir ein Bonbon in den Mund.
    Kurz vor Ende der Sendung fing Tara an zu schreien. Sie wachte nicht etwa sanft und friedlich auf, sondern war sofort wieder auf hundertachtzig.
    Vielleicht hatte sie schlecht geträumt.
    Ich schnappte mir das Fläschchen und hielt es unters warme Wasser.
    Das Brüllen wurde lauter.
    Das Wasser war noch nicht warm genug.
    Ich fasste das Fläschchen an – immer noch kalt.
    Tara ließ sich kaum Zeit zum Luftholen, so wütend war sie. Nicht sanft und liebevoll wie bei Mom.
    Dann war das Wasser warm und das Fläschchen ebenfalls. Ich testete es am Handgelenk, wie Mom es mir gezeigt hatte, und da es sich weder kalt noch heiß anfühlte, ging ich davon aus, dass es einigermaßen okay sein musste. Ich löste den Gurt, der Tara in der Wippe absicherte, und sofort schlugen mir ihre kleinen Arme ins Gesicht.
    »Lass das.«
    Aber sie heulte

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