Ann Pearlman
die alten Hopi-Behausungen in den Homolovi Ruins angeschaut, ganz in der Nähe in einem State Park. Wenn wir Zeit haben, sollen wir uns die unbedingt auch ansehen. Im Juni hat der Vater der Kinder sie mit nach Disney World genommen.
Allie flüstert Brooke zu, dass mein Mann vor einem Monat gestorben ist. Dann höre ich sie sagen: »Und ob Sie es glauben oder nicht – wir reisen mit einer Rap-Crew. Levys Eltern.«
Brooke lacht, und es klingt eher wie ein Männerlachen. »Meiner Meinung nach ist das Leben sowieso eine Achterbahn. Ich fahre mit. Man kann die Zukunft nicht planen.« Brooke ist groß und kantig, mit hohen Wangenknochen und einer markanten Nase, aber ihre vollen Lippen machen ihr Gesicht weich und sinnlich. Sie ist eine dieser Schönheiten, die kein Make-up brauchen.
»Also ganz nach dem Motto: ›Was soll man machen – so ist das Leben‹?«
»Genau.«
Ich liege auf meinem Liegestuhl. Levy hat seinen Truck stehen lassen und paddelt mit Rachel im flachen Wasser herum. Molly schlägt Purzelbäume rückwärts und ruft: »Schau mal, Mom, was ich kann!«
Brooke holt Sandwiches aus ihrer Tasche, Molly soll die Chips holen, ihr Bruder Tyler die Servietten. »Muss ich?«, brummt er und lässt die Trucks mitten im Planieren stehen.
»Nur die Servietten, wir essen mit den Fingern.«
Ich starre aufs Wasser, die kleinen künstlich türkisfarbenen Wellen des Pools. Es gibt kein Sprungbrett und nur ein paar kümmerliche Bäume und Pflanzen. Wahrscheinlich wegen der Höhe und Trockenheit.
»Habt ihr Hunger?«, fragt Brooke, an Allie gewandt. »Ich hab jede Menge Käse-Sandwiches.«
Ein Mann mit einem Netz erscheint, um den Pool sauberzumachen. Molly geht zu ihm. »Hi, Mister«, sagt sie.
»Ich bin Martin, du kannst mich einfach Martin nennen.«
»Okay, Mister.«
»Sie nennt alle Männer Mister, seit ihr Dad weg ist«, erklärt Brooke.
Molly nimmt sich eine Handvoll Chips. »Kann ich noch mal ins Wasser, Mom? Biiiitte!«
»Aber nicht ins Tiefe. Wenn Martin fertig ist, könnt ihr ja beide noch mal rein.«
»Hab dich lieb, Mom«, ruft Molly und küsst ihre Mutter auf die Wange. »Du bist die beste Mommy der Welt.«
Brooke lehnt sich auf ihrer Liege zurück und schließt die Augen. Allie geht mit Rachel in den Pool und zeigt ihr, wie man Blasen macht. Molly versucht, Levy das Schwimmen beizubringen. Er hält sich am Rand fest und kickt mit den Beinen.
Jetzt bin ich allein mit Brooke. Wir sitzen nebeneinander auf unseren Liegen, zwischen uns ein rot-weiß gestreifter Sonnenschirm. Auf einmal sagt sie: »Es funktioniert nicht so, wie wir denken, stimmt’s? Wir versuchen alles richtig zu machen und jonglieren hin und her, um ein Stückchen von allem zu kriegen. Wie ich – die Kinder, meine Kunst, meinen Mann. Aber man kann nicht immer alle Bälle in der Luft halten. Himmel, ich glaube, ich wollte eigentlich zwei Leben, und beide voll und ganz.«
Ich schweige und starre auf eine Welle, eine einzige. Ich beobachte, wie sie sich aufbäumt und sinkt und dann langsam an den Rand des Beckens hüpft. »Aber es würde sowieso kein Leben so werden, wie wir es uns ausmalen«, sage ich schließlich.
Brooke lacht bitter. Dann leckt sie sich über die Lippen und erzählt mir, dass ihr Mann zu einer Konferenz gefahren ist und unterwegs angehalten hat, an einer dieser kleinen Tankstellen in der Pampa, mit einem McDonald’s und einem Souvenirladen mit Andenken und Nusstüten und Süßigkeiten. Er hat Zigaretten gekauft. An der Kasse war ein junges Mädchen. Brooke klingt nicht wütend, eher verdutzt, als sie es mir erzählt.
»Also, mein Mann hat seit Jahren nicht mehr geraucht, aber er hat dieses Mädchen gesehen, Zigaretten bei ihr gekauft, sich ins Auto gesetzt und geraucht, bis sie Feierabend hatte. Dann ist er mit ihr ausgegangen und hat mit ihr geschlafen. Mit dieser Achtzehnjährigen. Danach ist er nach Hause gekommen und hat mir erklärt …« Ihre Stimme versagt, sie setzt neu an. »Er hat mir erklärt, dass er uns verlässt und seinen Job kündigt. Himmel, in nicht mal einer Woche war er weg, endgültig. Ist nach Illinois gezogen, einfach so. Sehen Sie – das alles hat nicht länger als einen Tag gedauert.«
Ich antworte nicht. Dass mein Mann gestorben ist, weiß sie ja schon.
Erst ein paar Minuten später sage ich: »Er war erst siebenundzwanzig.« Ich sage das so, als hätte ich seinen Tod inzwischen akzeptiert.
»Ich war seither mit keinem Mann mehr zusammen«, erzählt Brooke dem Pool. »Und
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