Anna, die Schule und der liebe Gott
Lernziels und meiner Selbsteinschätzung, die beide zentral auf das Lustgefühl einwirken. Wer zu etwas » keinen Bock « hat und den Lehrer mit » Föhn mich nicht zu! « anraunzt, dokumentiert damit nicht schlicht eine hedonistisch motivierte Verweigerung. Viel häufiger zeigt sich darin ein Mangel an Selbstvertrauen, der, um des Stolzes willen, das Lernziel gleich mit entwertet. In diesem Sinne können Lehrer Schüler auch nicht bilden, sondern nur gut oder schlecht inspirieren und ihnen assistieren. Am Ende bilden wir uns immer selbst. Denn nur wenn wir bereit sind, uns auf etwas einzulassen, und uns das Erreichen des Ziels auch zutrauen, bringen wir die Energie auf, die unser Gehirn braucht, um neue Synapsen herzustellen. Aber wie lässt sich Selbstwirksamkeit fördern?
Die wichtigste Quelle unserer Motivation seit dem frühesten Kindesalter ist es, etwas selbst machen zu wollen, um uns anschließend damit zu belohnen, dass wir es geschafft haben. Eine solche Motivation ist intrinsisch. Es geht dabei nicht um eine Belohnung durch jemand anderes, sondern um eine Belohnung durch uns selbst. Doch was geschieht, wenn wir für eine Leistung oder einen Erfolg eine extrinsische Belohnung bekommen, eine Belohnung von außen?
Eine der berühmtesten Untersuchungen zu diesem Thema machten die US -amerikanischen Sozialpsychologen Mark Lepper, David Greene und Richard Nisbett zu Anfang der siebziger Jahre an der Stanford University. Sie ließen Kleinkinder im Alter von drei bis fünf Jahren Bilder malen. Einer Gruppe von Kindern wurde eine Belohnung dafür versprochen, wenn sie malte, eine zweite Gruppe erhielt überraschend eine Belohnung, und eine dritte Gruppe bekam keine Belohnung. Zwei Wochen später motivierten die Forscher die Kinder erneut zum Malen, allerdings völlig ohne das Versprechen einer Belohnung. Was geschah? Die Kinder, die beim ersten Mal durch eine Belohnung gelockt worden waren, verloren ohne die Erwartung auf einen solchen Lohn schnell die Lust und gaben sich beim Malen wenig Mühe. Die anderen dagegen ließen sich leicht zum ausgiebigen Malen anregen. Ein paar Jahre später wiederholten Greene und Lepper das Experiment mit Mathematikspielen. Sie stellten Grundschülern neue Mathe-Spiele zur Verfügung und ließen sie zwei Wochen damit spielen. Danach erhielt jedes Kind eine Belohnung, wenn es noch elf Tage weiterspielte. Als die elf Tage um waren, hörten die Kinder rasch mit dem Spielen auf, weil es keine Belohnung mehr dafür gab. Dabei hatten sie in den ersten Wochen gern freiwillig mit den Spielen gespielt. Eine andere Gruppe von Kindern hingegen, die keine zwischenzeitliche Belohnung erhalten hatte, spielte fortwährend gern mit den Spielen. 104
Der Effekt, der hier deutlich zutage tritt, ist inzwischen durch Hunderte von Experimenten belegt: Er heißt » Korrumpierungseffekt « . Wer für sein Tun oder Lernen einen extrinsischen Anreiz bekommt, verliert oft und schnell seine intrinsische Motivation. Die Ursprungsmotivation wird durch die Belohnung korrumpiert und somit zerstört. Man stelle sich zum Beispiel einmal vor, ein Spieler aus der Fußballbundesliga würde für sein Spielen von einem Tag auf den anderen nicht mehr bezahlt, weil er nach eigener Aussage so gerne und so sehr aus Leidenschaft spielt. Würde er weiterhin für seinen Verein auflaufen?
Der Grund dafür ist leicht benannt, nämlich als eine Frage, wie ich mich und mein Tun selbst wahrnehme. Tue ich etwas, wofür man mir eine Belohnung in Aussicht stellt, so werte ich die Tätigkeit normalerweise sofort ab. Denn wenn sie für mich einfach nur schön und lustvoll wäre, würde man mich doch wohl kaum dafür belohnen. Die Tatsache, dass eine Belohnung winkt, mindert meine Eigenmotivation. Auf die Schule angewendet, bedeutet dies: Ein Schulsystem, dass seine Schüler mit der Aussicht auf Zensuren belohnt (oder bestraft), entwertet die Lust am Lernen zu einem Mittel zum Zweck. Nicht für uns und um des Wissens willen lernen wir, sondern für die Schule und das Zeugnis. Verlierer in diesem System sind sowohl der Wert des Unterrichts als auch die intrinsische Motivation unserer Kinder.
Schaut man sich genauer an, was in Menschen vor sich geht, wenn sie ihre intrinsische Motivation aufgeben, dann kann man sagen: Sie verlieren die Herrschaft über sich selbst. Denn wenn jemand anderes mir eine Belohnung verspricht, handele ich nicht mehr autonom, sondern im Auftrag eines anderen, der durch Belohnen und Bestrafen die Kontrolle über
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