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Anna, die Schule und der liebe Gott

Anna, die Schule und der liebe Gott

Titel: Anna, die Schule und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard David Precht
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die Schulleiterin Ulrike Kegler an der Montessori-Gesamtschule in Potsdam. Beherzt griff sie Hentigs Vorschlag auf und pachtete mithilfe eines Fördervereins im Januar 2007 ein zwölf Kilometer von der Schule entferntes Gelände am Schlänitzsee. Seitdem rekultivieren pubertierende Jugendliche das vermüllte Exstasi-Gelände mit Sorgfalt und Sachverstand. » Trinkwasser, Toiletten, Strom, Feuerstelle, Behausung, Unterbringungsmöglichkeiten für Tiere, Menschen und Werkzeuge, Boote, Verhandlungen mit den zuständigen Behörden, Akquise von Geldmitteln und viele andere Aufgaben « wurden von den Jugendlichen bewerkstelligt beziehungsweise begleitet. 135 Neunzig Jugendliche und ihre Lehrer wechseln sich im Rhythmus von sieben, acht Wochen in der » Jugendschule « ab – mit großem Erfolg. In etwa fünf Jahren sollen alle Altlasten entsorgt sein, artgerechte Tierställe fertig gebaut und Ackerflächen erfolgreich bewirtschaftet werden. Dabei lernen die Jugendlichen Mathematik bis hin zu den schwierigen Aufgaben der Flächen-, Kreis- und Volumenberechnung. Sie beschäftigen sich » mit den physikalischen Gesetzen von Kraft, Arbeit und Leistung, der Wärme- und Elektrizitätslehre, mit Energiequellen und dem sparsamen Umgang mit Energie, dazu mit Masse, Menge und Hebelgesetzen … Sich auf der Erde zu orientieren (Astronomie), zu kartieren, vermessen, messen (Niederschläge und Temperaturen), zu untersuchen (Boden, Oberflächenformen) und sich mit Brennstoffen, Transportwegen, Rohstoffen, Armut und Reichtum auseinanderzusetzen, ist vorgeschrieben. « 136 Dazu kommen Biologie, Medizin, Architektur sowie Einblicke in die Geschichte der menschlichen Zivilisation.
    Dass solche Erlebnisse und ihre Einsichten bei Jugendlichen besser gespeichert werden dürften als ein Fach-Frontalunterricht im Fünfundvierzig-Minuten-Takt in der Schule, bedarf keiner ernsthaften Diskussion. Sollte nicht jede Schule solch ein Abenteuerjahr in den Bildungsgang der Schüler implementieren? Sollte man sich nicht mit aller Kraft darum bemühen, so etwas mithilfe der Stadt, von Fördervereinen und unter Einbezug von helfenden Eltern und anderen Privatpersonen zu schaffen? Doch um all dies zu erreichen, müssen die Schulen vor allem eines sein – so souverän und unabhängig wie möglich von der Bürokratie und den Lehrplänen einer Landesregierung …
    128 Siehe: www.zeit.de/2013/02/Paedagogik-John-Hattie-Visible-Learning
    129 Vgl. dazu Kahl (2004)
    130 Hans Magnus Enzensberger: Plädoyer für den Hauslehrer. Ein Bißchen Bundespolitik, in: Transatlantik 6/82
    131 Zitiert nach: www.nachdenkseiten.de/?p=14502
    132 Neubauer/Stern (2009), S. 184
    133 Hentig (2006), S. 11
    134 Ebd., S. 15 f.
    135 Kegler (2009), S. 226
    136 Ebd., S. 231

Bildung für alle!
    Wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um!
    Ernst Bloch
    Wohlstandsbildung
    Dass mehr Bildung zu mehr Wohlstand führt, ist das Glaubensbekenntnis aller im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. Doch die Politik aller Regierungen seit Willy Brandt spricht dem Hohn. Zu gering sind die Bildungsausgaben im internationalen Vergleich, zu unentschieden, zerfasert und von falschen Prioritäten bestimmt die entsprechenden Bildungsanstrengungen. Statt wirklich entschlossen in die Bildung zu investieren, in Ideen und Konzepte, Schulen und Förderungen, gibt es prestigeträchtige Bildungsgipfel, vollmundige Bekenntnisse und Versprechen, ungezählte Sonntagsreden, Gremien, Expertenräte, Einzelmaßnahmen, Initiativen und viele kleine Kleckereien. Und statt jedem Kind eine echte Chance zu ermöglichen, bezahlen wir noch immer lieber dessen künftiges Sozialgeld. Die rasant wachsenden Sozialetats dürfen dann dazu dienen, den vergleichsweise lächerlichen Bildungsetat zu rechtfertigen – es ist ja kein Geld da!
    Der reichste Staat, der je auf deutschem Boden existierte, hat nicht allzu viel für die Bildung übrig. 4,2 Prozent des Bundeshaushalts 2012 entfallen für Bildung und Forschung. Das ist, trotz eines Anstiegs in den letzten Jahren, kaum mehr, als die staatliche Finanzverwaltung kostet (4,1 Prozent), und deutlich weniger als die Hälfte der Militärausgaben (10,4 Prozent) – jedes Land setzt seine Prioritäten!
    Wenn uns die Bildung so wenig wert ist, haben wir uns dann von der Idee eines » Wohlstands für alle « verabschiedet? Gleich drei Autoren hatten Bücher mit diesem Titel geschrieben: ein Anarchist, ein Jurist und ein Christdemokrat. Der Erste, Pjotr Alexejewitsch Kropotkin (1841

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